" … II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat auf die Sachrüge hin Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (zur Vermeidung etwaiger widersprüchlicher Feststellungen im Schuld- und Rechtsfolgenausspruch) und zur Zurückverweisung der Sache an das AG Warendorf (§ 79 Abs. 6 OWiG)."

Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils weist einen Rechtsfehler zu Lasten des Betr. auf, da sie lückenhaft ist. Grds. kann – jedenfalls bei einer gezielten Ampelüberwachung – die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes aufgrund der Schätzung von Polizeibeamten festgestellt werden. Diese Schätzung muss aber für das Tatgericht und das Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar sein. Deswegen muss das tatrichterliche Urteil Feststellungen dazu enthalten, nach welcher Methode die Zeit ermittelt wurde (OLG Hamm, Beschl. v. 12.3.2009 – 3 Ss OWi 55/09, juris m.w.N.). Im vorliegenden Fall lässt sich den Urteilsgründen entnehmen, dass das AG offenbar aufgrund der Bekundung des Zeugen C i.V.m. der verlesenen polizeilichen Anzeige zu der Überzeugung gelangt ist, dass das Rotlicht für die Linksabbiegerspur “zum Tatzeitpunkt' bereits fünf Sekunden leuchtete. Genau genommen ergibt sich aus der polizeilichen Anzeige, so wie sie im angefochtenen Urteil mitgeteilt wird, allerdings nur, dass die Lichtzeichenanlage für die Linksabbiegerspur Rotlicht zeigte und “mindestens fünf Sekunden im Blickfeld der Beamten lag'. Von einer bereits fünf Sekunden andauernden Rotphase ist hier nicht die Rede. Selbst, wenn man dies anders sehen wollte, so bliebe aber immer noch offen, wie die Polizeibeamten die Dauer des Rotlichtverstoßes ermittelt haben (genaue Messung mittels Uhr, Schätzung etc.). So ist die Genauigkeit dieser Angabe letztlich nicht zu überprüfen. Der Betr. selbst, der sein Fahrverhalten als solches nicht in Abrede gestellt hat, konnte die Dauer des Rotlichtverstoßes ebenfalls nicht einräumen, da er nach seiner Einlassung auf die Lichtzeichenanlage der Linksabbieger nicht geachtet haben will.

Ein weiterer Rechtsfehler liegt darin, dass unklar bleibt, auf welchen Zeitpunkt und welche örtliche Position des Fahrzeugs des Betr. hinsichtlich der Bemessung der Dauer der Rotlichtphase das AG abstellt. Grds. maßgeblich ist das Überfahren der Haltelinie. Ist eine solche nicht vorhanden, so kann auch das Vorbeifahren an der Lichtzeichenanlage oder der des Einfahrens in den durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich maßgeblich sein. Zudem kann auch in Fällen, in denen das Überfahren der Haltelinie und das Einfahren in den geschützten Bereich nicht nahtlos ineinander übergehen, ein qualifizierter Rotlichtverstoß gegeben sein (BGH, Beschl. v. 24.6.1999 – 4 StR 61/99, juris). Da hier ein bewusstes Umfahren des Rotlichts nicht festgestellt ist und letztlich offen bleibt, ob der Betr. überhaupt in den Kreuzungsbereich einfuhr, als die Linksabbiegerampel schon Rotlicht zeigte (vgl. insoweit: BayObLG, Beschl. v. 27.6.2000 – 1 ObOWi 257/00, juris; OLG Hamm, Beschl. v. 25.1.2006 – 1 Ss OWi 223/05, juris), ist nach dem Dafürhalten des Senats das Einfahren in den durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich maßgeblich, also hier das Einfahren im Kreuzungsbereich (hinter der Lichtzeichenanlage) von der Geradeausspur in die Linksabbiegespur (so wohl auch: OLG Dresden, Beschl. v. 3.4.2002 – Ss (OWi) 9054/01, juris). Nach der Formulierung zum Tatgeschehen (“Als der Betr. den Kreuzungsbereich befuhr […]') kann dies einerseits dahin zu verstehen sein, dass das Einfahren in die Kreuzung überhaupt gemeint ist. Hierauf kann es aber nach dem Gesagten, angesichts des Umstands, dass sich der Betr. hier noch auf der Geradeausspur befand, für welche die Lichtzeichenanlage Grünlicht zeigte, und ein Fall der bewussten Rotlichtumfahrung nicht festgestellt ist, nicht ankommen. Maßgeblich muss vielmehr das Einfahren in den durch die Rotlicht anzeigende Linksabbiegerampel geschützten Bereich sein.

Bei der erneuten Entscheidung der Sache wird der Tatrichter auch zu erörtern haben, inwieweit die konkreten Umstände des Einzelfalls hier einen zu einem Fahrverbot führenden groben Pflichtenverstoß (insb. in subjektiver Hinsicht, vgl. OLG Dresden a.a.O.) ausnahmsweise ausschließen. Falls ein Fahrverbot angeordnet wird, wird § 25 Abs. 2a StVO zu beachten sein. … “

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge