Die Ermittlungen im Strafverfahren werden durch die Staatsanwaltschaft und ihre Hilfsbeamten, also die Polizei, geführt. Insbesondere hat die Polizei in der Praxis die Aufgabe, Zeugenvernehmungen durchzuführen. Dies gilt auch, wenn es um die Identifizierung von etwaigen Tätern geht und Gegenüberstellungen oder aber Wahllichtbildvorlagen mit etwaigen Zeugen durchgeführt werden müssen. Ohne an dieser Stelle auf die Einzelheiten der Fehleranfälligkeit von Wahllichtbildvorlagen eingehen zu wollen, kann festgehalten werden, dass die richtige Durchführung derselben in der Praxis eine hohe Anforderung an die Beamten stellt.[22] Ist nämlich diese Zeugenbefragung oder Gegenüberstellung fehlerhaft durchgeführt worden, kann möglicherweise ein Täter danach nicht mehr identifiziert werden, weil die weiteren Identifizierungen nur eine (vermutlich wertlose) Wiederholung der ersten fehlerhaft verlaufenen Gegenüberstellung und damit Perpetuierung derselben ist.[23]

Beim Zeugenbeweis hat die Verteidigung danach stets zu prüfen, ob die Zeugenwahrnehmung eingeschränkt war, die Wiedergabefähigkeit und Reproduzierbarkeit des Erlebten überhaupt möglich ist und schließlich die Glaubwürdigkeit des Zeugen als Person und die Glaubhaftigkeit der Aussage insgesamt zu prüfen. In diesem Rahmen kann nicht auf alle Einflüsse auf den Zeugen und seine Aussage eingegangen werden. Allerdings kann als gesichert gelten, dass schon die Befragung von Zeugen selbst auf deren Ausgang und Inhalt maßgeblichen Einfluss hat. So ist die Suggestibilität des die Befragung Durchführenden für deren Resultat erheblich.[24]

Umso wichtiger ist dessen Unabhängigkeit. Auch der Umstand, dass Beamte gering korrumpierbar oder bestechlich sind, stellt für ihre Glaubhaftigkeit einen wesentlichen Baustein dar. Denn die (beamten-)rechtlichen Folgen bei einem Verstoß sind weit reichend für den betroffenen Beamten. Dies gilt natürlich nicht nur im Bereich der Zeugenvernehmung, sondern für die gesamte Beweiserhebung- und Beweissicherung.[25]

Im Rahmen der Glaubwürdigkeit eines Zeugen ist seine Vorbefassung einerseits, seine Unabhängigkeit vom Betroffenen oder weiteren Interessenten andererseits von elementarer Bedeutung. Es besteht zudem eine hohe Verwaltungsethik bei den Beamten.[26] All dies ist dem privaten Dritten und dessen Mitarbeitern aber schon mangels Verantwortlichkeit nicht innewohnend. Zudem ist die Kontrolle schwierig, wenn nicht unmöglich. So ist bei einem Zeugen, der Mitarbeiter oder Inhaber einer Messungen durchführenden Firma ist, die Bewertung der eigenen Arbeit sicherlich von pekuniären Interessen geprägt.

Der Verteidiger oder Vertreter hat weiter zu prüfen, ob er u.U. die Einholung von Beweisen mittels Beweisantrag in das Verfahren einbringt. Dies kann auch nicht endlos nachgeholt werden; eine verspätete Antragstellung kann zur Präklusion führen und damit sogar einen Regress gegen den Rechtsanwalt begründen, sollten keine ersichtlichen Gründe für das verspätete Vorbringen vorliegen.

[22] Leitsatzentscheidung des BGH v. 9.11.2011 – 1 StR 524/11.
[23] Rechtspflicht zur Erörterung BGHSt 16, 204 ff.; 28, 210; BGH NStZ 1996, 350; StV 1997, 454; OLG Hamm – 2 Ss 594/03.
[24] BGH v. 17. 2.2016 – 4 StR 412/15: Bei der Würdigung einer zusammenfassenden Wertung eines Zeugen kommt es auch auf die dieser Wertung zugrundeliegenden, von dem Zeugen mehr oder weniger substantiierten Tatsachen an, hier also darauf, welche äußeren Merkmale für das Wiedererkennen maßgebend waren.
[25] So beispielsweise auch bei Bild- und Videoaufzeichnungen im Bereich der polizeilichen Kontrolle, die sich schlechterdings nicht von der Kontrolle durch Private unterscheiden dürfen. Dazu eingehend Harnisch/Pohlmann, Bild- und Videoaufzeichnungen im Bereich der polizeilichen Verkehrskontrolle, NZV 2010, 380 ff.
[26] Faust, Verwaltungsethik in der Praxis, zfwu 2008, 244–262 mit diversen Beispielen aus der Praxis.

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