Wenn man an den "älteren Verkehrsteilnehmer" denkt, taucht spontan der in der Fahrschule oft zitierte § 3 Abs. 2a StVO auf, wonach neben Kindern und Hilfsbedürftigen vor allem Ältere ausdrücklich unter besonderen Schutz gestellt werden, denen gegenüber eine Gefährdung durch Verkehrsteilnehmer auszuschließen ist.

Die Überalterung der Gesellschaft wird spätestens dann, wenn die geburtenstarken 1960er Jahrgänge sich der Ü70 nähern, auch im Straßenverkehr eine neue Dimension annehmen. Mögen ältere Personen heute durch die gesonderte Erwähnung in § 3 Abs. 2a StVO wie straßenverkehrsrechtliche Exoten wirken, können diese in zwanzig Jahren durchaus die Mehrheit stellen. Daraus ergeben sich zahlreiche Fragen und Probleme, auf die der verkehrs- und schadenrechtlich tätige Anwalt vorbereitet sein sollte.

Bereits heute zahlen ältere Autofahrer bei einigen Kraftfahrt-Haftpflichtversicherern nur wegen ihres Alters höhere Prämien, die sich dem Niveau von Fahranfängern annähern. Für junge Fahranfänger bieten viele Versicherungen eine Telematik-Versicherung an, die über eine zu aktivierende App das komplette Fahrverhalten überwacht. Diese Möglichkeit wird meist nur Fahrern bis 28 Jahren angeboten. Wer auch im Alter davon profitieren möchte, dem ist dies versperrt. Man ist geneigt, an Altersdiskriminierung zu denken, da diese vertragliche Variante nur wegen des Alters und nicht wegen der Fahrweise nicht angeboten wird. Die Folge: Rentner mit kleinem Einkommen, die möglicherweise auch deshalb auf dem Land leben, weil sie hohe Mieten in Städten nicht zahlen können, werden von der Mobilität ausgeschlossen, da sie sich Versicherungsprämien nicht mehr leisten können.

Nach statistischen Erhebungen sind zudem ältere Menschen überdurchschnittlich an schweren bis tödlichen Fahrradunfällen beteiligt. Das hat zum einen damit zu tun, dass ganze Gesellschaften von "Best Agern" inzwischen Wald- und Wiesenwege radelnd bevölkern und somit auch von der Anzahl her überrepräsentiert sein dürften. Zum anderen hängt dies aber sicherlich auch damit zusammen, dass die Fitness naturgemäß im Alter nachlässt und verkehrsgerechte Reaktionen in kritischen Situationen ausbleiben.

Die körperliche und geistige Fahr(un)tüchtigkeit Älterer führt dann zu einem weiteren Problem: Bereits heute werden ältere Verkehrsteilnehmer schon bei Allerweltsunfällen nicht selten der Fahrerlaubnisbehörde zur Überprüfung der Fahrtauglichkeit gemeldet. Wer im Alter von Ü70 dann in die MPU-Mühle gerät, hat in der Regel schon seine Fahrerlaubnis verloren. Auch wenn die Tests altersentsprechend sind, so spiegeln sie keinesfalls reales Verkehrsgeschehen wider und das Betätigen von moderner Computertechnik ist Älteren ebenfalls fremd. Hier kann man oftmals mit Fahrerlaubnisbehörden eine echte Fahrprobe vereinbaren, um Eignungszweifel zu beseitigen.

Wie wird aber eines Tages die körperliche und geistige Fahrtüchtigkeit zu beurteilen sein in Zeiten des autonomen Fahrens? Bedarf es da noch der Reaktionsschnelligkeit wie bei einem "normalen" Fahrzeug? Wohl kaum, zumal dem autonomen Fahren ja geradezu die Abgabe von Verantwortlichkeit im Rahmen menschlicher (Fahr-)Fehler immanent ist.

Ältere Menschen werden durch die Überalterung der Gesellschaft vermehrt Opfer von Unfallgeschehen, und damit – vor allem bei Körperschäden – bedürfen sie einer besonderen, auch auf das Lebensalter zugeschnittenen Schadenskompensation. Exemplarisch sei hier vor allem das Schmerzensgeld genannt. Hier gilt es dem weitverbreiteten Argument vorzubeugen, dass bei ähnlichen Verletzungen der Ältere weniger erhalten soll als der Jüngere, denn Letzterer habe ja schließlich sein ganzes Leben noch vor sich. Doch während Jüngere vielleicht auf medizinische Fortschritte und auch in gewissem Umfang auf Selbstheilungskräfte hoffen und vertrauen dürfen, läuft den Älteren die Zeit buchstäblich davon. Der Lebensabend des gestern noch agilen Seniors ist nach einem Unfallereignis geprägt von dauernden Arztbesuchen und hoffnungslosem "es wird nie wieder so wie früher". Persönliche Umstände müssen auch hier Maßstab der Schmerzensgeldbemessung sein. Das bloße Alter darf als Kriterium nicht ausschlaggebend sein.

Autor: Andreas Krämer

RA Andreas Krämer, FA für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht, Frankfurt a.M.

zfs 5/2017, S. 241

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