BGB § 249

Leitsatz

1. Treten im Rahmen der Durchführung von Schadensbeseitigungsmaßnahmen – aus ex ante Sicht des Geschädigten unvorhergesehene – Verzögerungen/Mehraufwenden auf, die in der Sphäre des "Unfallhelfers" (hier: Autohändler) liegen und dem Einfluss und der Kontrolle des Geschädigten entzogen sind, gehen diese zulasten des Schädigers.

2. Das dem Schädiger hiernach zuzurechnende "Prognoserisiko" unvorhergesehener Verzögerungen/Mehraufwendungen im Verlauf der Behebung des Fahrzeugschadens nach einem Verkehrsunfall ist der Schadensabwicklung auf Reparaturkostenbasis und der Schadensabwicklung auf Wiederbeschaffungskostenbasis gleichermaßen immanent. Denn es bestehen keine Gründe für eine unterschiedliche Behandlung einer verzögerten Ersatzteillieferung an die Reparaturwerkstatt und einer verzögerten Ersatzfahrzeuglieferung an den Autohändler.

3. Wenn der Geschädigte daher in der Konstellation der Schadensbehebung auf Wiederbeschaffungsbasis die Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs berechtigterweise in die seinem Einfluss entzogenen Hände eines Autohändlers als "Unfallhelfer" übergibt, ohne dass ihm insofern ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden zur Last zu legen ist, so trägt auch hier das Prognoserisiko bzw. "Unfallhelferrisiko" der Schädiger. Danach können die Kosten für die Anmietung eines Mietwagens während der (sich hinauszögernden) Dauer der Wiederbeschaffung eines Ersatzfahrzeugs von 48 Tagen ersatzfähig sein.

(Leitsätze des Einsenders)

AG Haßfurt, Urt. v. 2.8.2013 – 2 C 165/13

Sachverhalt

Nach einem Verkehrsunfall erkannte die spätere Bekl. als eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung die Haftung dem Grunde nach an. Sie regulierte den Schaden des Kl. bis auf die noch laufenden Mietwagenkosten. Der Kl. beabsichtige den Erwerb eines Ersatzfahrzeugs, hinsichtlich dessen das von ihm eingeholte Privatgutachten eine Wiederbeschaffungsdauer von 10 Werktagen auswies. Umgehend nach dem Zugang des Gutachtens bestellte der Kl. bei einem Autohändler ein dem bei dem Unfall beschädigten Fahrzeug vergleichbares Fahrzeug. Den unfallbeschädigten Pkw hatte der Kl. bei dem nunmehr beauftragten Autohändler ein Jahr zuvor erworben. Das von dem Autohändler bestellte Kfz, ein Importfahrzeug aus Spanien, konnte wegen fehlender Dokumente (Certificate of Conformity), die für die Zulassung des Fahrzeugs erforderlich waren, erst 38 Tage nach dem Unfalltag zugelassen werden. Der Kl. mietete vom Tag des Unfallereignisses bis zur Zulassung des Ersatzfahrzeugs einen Mietwagen an und verlangt den vollen Ersatz der für diesen Zeitraum entstandenen Mietwagenkosten. Die Bekl. erstattete vorprozessual Mietwagenkosten auf der Grundlage der von ihr allein für erforderlich gehaltenen 16 Tagen Anmietungsdauer. Der Kl. hat den rechnerisch offen stehenden Restbetrag der Mietwagenkosten mit Erfolg verlangt. Das AG hat unter Zugrundelegung einer erforderlichen Anmietungsdauer von 38 Tagen den geforderten Restbetrag der Mietkosten zugesprochen.

2 Aus den Gründen:

" … Der Klagepartei steht gegenüber der Beklagtenpartei als der einstandspflichtigen Haftpflichtversicherung des unfallgegnerischen Kfz ein Anspruch auf Erstattung der restlichen Mietwagenkosten i.H.v. 2.773,07 EUR gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, §§ 823 Abs. 1, 249 BGB i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 Pflichtversicherungsgesetz zu. Dem unfallgeschädigten Kl. steht nämlich ein Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten für die gesamte Dauer der unfallbedingten Anmietung eines Ersatzfahrzeugs vom 14.11.2012 (= Unfalltag und Tag der Anmietung) bis zum 21.12.2012 (= Tag der Zulassung des neu angeschafften Ersatzfahrzeugs und Tag der Rückgabe des Mietwagens), also für einem Zeitraum von insgesamt 38 Tagen zu. Die für diesen Zeitraum insg. angefallenen Mietwagenkosten, welche ausweislich der Klageschrift dem Klagebegehren i.H.v. 4.874,70 EUR (brutto) zugrunde gelegt werden, wurden der Höhe nach beklagtenseits in keiner Weise in Abrede gestellt, § 138 Abs. 3 ZPO. Abzüglich der hierauf vorgerichtlich bereits erstatteten 2.101,63 EUR war die Bekl. demnach zur Zahlung der geltend gemachten weiteren 2.773,07 EUR zu verurteilen."

1. Der Kl. konnte vom Schädiger angesichts der Umstände des hiesigen Einzelfalls Mietwagenkosten für den gesamten Zeitraum des unfallbedingten tatsächlichen Nutzungsausfalls von 38 Tagen ab dem Unfallereignis bis zur Zulassung des angeschafften Ersatzfahrzeugs verlangen, da die vorliegende verzögerte Nutzungsmöglichkeit des Ersatzfahrzeugs nicht dem Verantwortungsbereich des unfallgeschädigten Kl. zuzurechnen ist, sondern insoweit vielmehr das sog. “Werkstattrisiko‘ oder besser “Prognoserisiko‘ den Schädiger trifft (vgl. hierzu Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 249 Rn 13). Der Unfallgeschädigte kann vom Schädiger für die Zeit, in der er wegen des schädigenden Ereignisses und seiner Folge seine Sachen nicht nutzen kann, die Kosten für die Anmietung einer gleichwertigen Sache ersetzt verlangen, soweit diese i.S.d. § 249 Abs. 1, Abs. 2 BGB erforderlich sind. Mietwagenkosten gehören daher regelmäß...

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