Eine wichtige Neuerung besteht darin, dass eingetragene Verstöße keine Tilgungshemmung mehr entfalten, wenn sie nach dem 1.5.2014 eingetragen werden.

Dem gegenüber steht jedoch der Umstand, dass teilweise sich die Tilgungsfristen bei den weniger schwerwiegenden Verstößen, die mit 1 Punkt bewehrt sind, um 6 Monate verlängern. Es ist daher genau zu prüfen, ob angesichts der klaren Tilgungsreife des jeweiligen Verstoßes tatsächlich ein Punkteabbau vermittels des Fahreignungsseminars vorgenommen werden soll. Denn die Konsequenz ist, dass für den Zeitraum von 5 Jahren ein neuerlicher Abbau nicht möglich ist. Auch stehen die erheblichen Kosten dagegen und sollte der Kraftfahrer einen Verstoß nach dem Tattagsprinzip vor der ausgestellten Bescheinigung begangen haben, der ebenfalls punktbewehrt ist, ist derzeit noch umstritten, ob der Abzug trotzdem erfolgen kann. Dafür spricht, dass ggf. die Maßnahmestufe der Verwarnung dem Betroffenen nicht bekannt ist; dagegen spricht die alte Handhabung der Gerichte, die auf den Punktestand allein (in der retrospektiven Betrachtung) abgestellt haben. Solange hier keine klare obergerichtliche Entscheidung gefallen ist, sollte der Betroffene einen Kurs nur dann einreichen, wenn er sich sicher sein kann, dass die Bescheinigung nicht noch durch einen neuerlichen Verstoß "behindert" werden kann. Das unerfreuliche Ergebnis steht übrigens im krassen Widerspruch zum Gesetzeszweck der größeren Verkehrssicherheit, weil der Betroffene im Zweifel mit dem Besuch des Fahreignungsseminars warten wird – nämlich bis er den entsprechend niedrigeren Punktestand erreicht hat. Da ist also der nicht geeignete Fahrer noch länger ohne das (hoffentlich wirksame) Fahreignungsseminar unterwegs.

Dieses kurze Beispiel zeigt bereits, dass die Ziele von einem Register, das einfacher, transparenter und gerechter sein soll, mitnichten erfüllt wurden. Es stellt sich vielmehr die Frage, weshalb überhaupt dieser erhebliche Aufwand betrieben wurde, das Gesetzesvorhaben auf den Weg zu bringen. Besonders auffällig wird dies, wenn man sich vor Augen führt, dass der Bundesrat zunächst eine Evaluation des Fahreignungsseminars in den kommenden Jahren im Gesetz vorgesehen hat. Kritisiert wird insbesondere, dass unklar sei, in welcher Weise das Fahreignungsseminar zu einer Verhaltensänderung bei den Kraftfahrern führen solle, zumal die Kosten bei geschätzten 645 EUR je Seminar auch sehr hoch liegen dürften. Da bislang aber auch die Kriterien für eine Evaluation noch nicht festgeschrieben sind, muss die Frage aufgeworfen werden, weshalb das Gesetz überhaupt auf den Weg gebracht worden ist.

Interessant ist zudem die Konsequenz eines gut bzw. eines schlecht evaluierten Fahreignungsseminars: Sollte das Ergebnis zulasten der Wirksamkeit ausfallen, wird vom Kraftfahrer wohl kaum verlangt werden, ein solches zu besuchen – allerdings wird dann schlechterdings ein Punktabbau nicht möglich sein. Sollte das Ergebnis positiv ausfallen, wird die Anordnung eines Fahreignungsseminars sicherlich auf der Stufe der Verwarnung wieder aufleben – dann natürlich als Voraussetzung für das weitere Führen von Kraftfahrzeugen – wenn nicht innerhalb bestimmter Fristen die Bescheinigung eines erfolgreich absolvierten Seminars vorliegt.

Zu Recht wird bezweifelt, dass das gesetzgeberische Konzept einer größeren Verkehrssicherheit aufgegangen ist. Denn ein Kraftfahrer kann unter Umständen viele punktbewehrte – verkehrssicherheitsbeeinträchtigende – Verstöße begehen, ehe er mangels Fahreignung "aus dem Verkehr" gezogen wird. Die parallel anzuwendenden Rechtssysteme stehen der Klarheit entgegen und sorgen mitnichten für Transparenz. Die gleiche Kritik ist auf die Unentschiedenheit hinsichtlich der Anwendung von Tattags- und Rechtskraftprinzip auszusprechen.

Autor: RAin Gesine Reisert , FAin für Verkehrsrecht und FAin für Strafrecht, Berlin

zfs 5/2014, S. 249 - 255

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