" … Die Klage ist unbegründet."

Der Kl. steht gegen die Bekl. kein Kostenerstattungsanspruch aus der vereinbarten Reisekostenkrankenversicherung aus Anlass ihrer Behandlung in Mexiko nach einem fehlgeschlagenen Selbstmordversuch zu.

1. Gem. § 1 der VB-ERV/TUI leistet die Bekl. Entschädigung bei auf der versicherten Reise akut eintretenden Krankheiten und Unfällen für die Kosten der Heilbehandlung und erstattet gem. § 2 der VB-ERV/TUI die Kosten der im Ausland notwendigen Heilbehandlungen. Gem. § 6 Abs. 1f VB-ERV/TUI sind nicht versichert auf Vorsatz beruhende Krankheiten und Unfälle und deren Folgen. Da die Behandlung der Kl. durch einen Selbstmordversuch verursacht worden ist, sind die dadurch entstandenen Kosten von der Leistungspflicht der Bekl. ausgenommen, weil es sich bei dem Selbstmordversuch durch Aufschneiden der Pulsadern um einen vorsätzlich herbeigeführten Unfall und bei der ärztlichen Behandlung um dessen Folgen handelt.

a) Der Begriff des Unfalls wird in der Krankenversicherung, zu der auch die Reisekrankenversicherung gehört, in § 192 VVG, dem gesetzlichen Leitbild für die private Krankenversicherung, nicht näher definiert. Auch die vereinbarten Versicherungsbedingungen für die Reisekrankenversicherung enthalten keine Definition des Unfallbegriffs. Allerdings kann entgegen der Auffassung der Kl. nicht die Definition des Unfalls aus der Unfallversicherung für die Krankenversicherung übernommen werden, weil es sich bei der Krankenversicherung nicht um eine Unfallversicherung handelt. Auch die Definition in den AUB kann für die Ausfüllung des Unfallbegriffs in den VB-ERV/TUI nicht herangezogen werden. Denn bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen aus der Sicht eines durchschnittlichen VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse bildet nur die vereinbarte Vertragsklausel den Gegenstand der Auslegung. Andere Klauseln, wie die Definition des Unfallbegriffs in den AUB oder z.B. auch den AKB können nicht herangezogen werden, da von einer Kenntnis des VN hiervon nicht ausgegangen werden kann (BGH VersR 2007, 388; VersR 1987, 68 … ). Im Übrigen kommt die von der Kl. herangezogene Verwendung des Unfallbegriffs aus der privaten Unfallversicherung schon deswegen nicht in Betracht, weil dann die in § 6 Abs. 1f verwendete Wendung von auf Vorsatz beruhenden Unfällen ein Widerspruch in sich wäre, da zum Unfallbegriff in der privaten Unfallversicherung die Unfreiwilligkeit per definitionem gehört.

Ebenso wenig kann auf einen möglicherweise dahingehenden Willen des Bedingungsgebers zurückgegriffen werden, weil ein solcher Wille in den VB-ERV/TUI keinen Niederschlag gefunden hat. Denn bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen gelten nicht die für die gesetzesähnliche Auslegung zu berücksichtigenden Grundsätze (BGH NJW-RR 2000, 1341).

Der Begriff des Unfalls ist vielmehr unabhängig von Unfalldefinitionen in anderen Versicherungszweigen unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Krankenversicherung auszulegen. Danach wird in der Krankenversicherung unter einem Unfall ein von außen kommendes Ereignis verstanden (Voit, in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 192 Rn 43; Langheid, in: Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl., § 192 Rn 10), für das allenfalls noch das Erfordernis der Plötzlichkeit der Einwirkung von außen, nicht aber die Unfreiwilligkeit der Gesundheitsbeschädigung gelten kann. Da das Aufschneiden der Pulsadern nach einem so verstandenen Unfallbegriff eine plötzliche Einwirkung von außen darstellt (BGH VersR 2014, 59 für den vergleichbaren Fall einer willentlich herbeigeführten Kokaininjektion) und es auf die Freiwilligkeit oder Unfreiwilligkeit der dadurch herbeigeführten Körperverletzung nicht ankommt, ist die versuchte Selbsttötung vom Leistungsbereich der Reisekrankenversicherung ausgenommen. Denn die Kl. hat sich die Pulsadern vorsätzlich aufgeschnitten und damit den Unfall vorsätzlich i.S.d. Versicherungsbedingungen herbeigeführt. Wie sich dem eindeutigen Wortlaut von § 6 Abs. 1f VB-ERV/TUI entnehmen lässt, muss sich der Vorsatz nur auf den Unfall, nicht aber auf die durch den Unfall verursachten Folgen beziehen.

b) § 201 VVG, der gem. § 208 VVG nicht zum Nachteil der Kl. abgeändert werden kann und der deshalb auch durch die Bedingungen der Reisekrankenversicherung keine Einschränkung zu Lasten der Kl. erfahren kann, steht dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Zwar weist die Kl. zutreffend darauf hin, dass eine weit verbreitete Auffassung in der Lit. zur Krankenversicherung die Meinung vertritt, dass die Folgen eines fehlgeschlagenen Selbstmordversuchs der Leistungsausschluss nach § 201 VVG greife bei einem jedenfalls ernstgemeinten Selbstmordversuch nicht, weil im Hinblick auf eine statt des erstrebten Todes eingetretene Gesundheitsbeschädigung i.d.R. kein Vorsatz vorliege (Voit, a.a.O., § 201 Rn 11; Hütt, in: Langheid/Wandt, Müko-VVG, § 201 Rn 25/26; Kalis in Bach/Moser, Private Krankenversicherung 4. Auflage, § 5 MB/KK Rn 7). Dem wird aber nach Auffassung des Gerichts zu Recht entgegengehalte...

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