BGB § 843; StVG § 11

Leitsatz

1. Der unfallbedingte Verlust der Fähigkeit des Geschädigten, weiterhin Haushaltsarbeiten zu verrichten, stellt entweder einen Erwerbsschaden dar, wenn die Hausarbeit Beitrag zum Familienunterhalt ist, oder eine Vermehrung der Bedürfnisse, wenn sie der Deckung der Bedürfnisse des Verletzten dient.

2. Pflegekosten, die deshalb angefallen sind, weil der Geschädigte durch den Unfall die Fähigkeit zur Erbringung von weiteren Pflegeleistungen gegenüber seiner pflegebedürftigen Ehefrau verloren hat, sind entweder ersatzfähiger Erwerbsschaden oder ersatzfähige vermehrte Bedürfnisse.

(Leitsätze der Schriftleitung)

OLG Stuttgart, Urt. v. 31.1.2013 – 19 U 148/12

Sachverhalt

Der Kl. wurde bei einem von dem VN der beklagten Haftpflichtversicherung verursachten Auffahrunfall nach seiner Darstellung so sehr verletzt, dass er seine pflegebedürftige Ehefrau (Pflegestufe III) nicht mehr pflegen konnte und sie im Heim unterbringen musste. Mit der Klage hat der Kl. die Verurteilung der Bekl. zur Erstattung der Kosten der Heimunterbringung verfolgt. Nach Anhörung des Kl. zur behaupteten Pflege der Ehefrau vor dem Unfall und der Ursächlichkeit des Unfalls für die Unterbringung seiner Ehefrau in einem Pflegeheim hat das LG beide Behauptungen des Kl. für erwiesen erachtet und die Bekl. verurteilt. Die Berufung der Bekl. mit dem Ziel einer Abweisung der Klage führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das LG zur neuen Verhandlung und Entscheidung.

2 Aus den Gründen:

" … 1. Zutreffend geht das LG allerdings davon aus, dass aufgrund seiner Feststellungen die Bekl. dem Kl. aus § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 843 Abs. 1 Alt. 1 BGB, § 11 S. 1 Alt. 1 StVG zum Ersatz der über die vor dem Unfall durchgeführte Tagespflege hinaus für seine Ehefrau angefallenen Pflegekosten im Pflegeheim verpflichtet ist.

a) Nach § 843 Abs. 1 BGB, § 11 S. 1 StVG hat der Schädiger dem Geschädigten unter den dort genannten Voraussetzungen, hier der Verletzung des Körpers, Schadensersatz zu leisten. Dabei liegt in dem Verlust der Fähigkeit weiterhin Haushaltsarbeiten zu verrichten, ein ersatzfähiger Schaden. Er stellt sich je nachdem, ob die Hausarbeit als Beitrag zum Familienunterhalt oder ob sie den eigenen Bedürfnissen des Verletzten diente, entweder als Erwerbsschaden i.S.d. § 843 Abs. 1 Alt. 1 BGB, § 11 S. 1 Alt. 1 StVG oder als Vermehrung der Bedürfnisse i.S.d. § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB, § 11 S. 1 Alt. 1 StVG dar. In dem einen wie dem anderen Falle ist der Schaden messbar an der Entlohnung, die für die verletzungsbedingt in eigener Person nicht mehr ausführbaren Hausarbeiten an eine Hilfskraft gezahlt wird (vgl. BGH, Urt. v. 6.6.1989 – VI ZR 66/88, BGHR BGB § 843 Abs. 1 Hausarbeiten 1). Das gut auch für Pflegekosten, die deshalb angefallen sind, weil der Ehegatte durch den Unfall die Fähigkeit zur Erbringung von Pflegeleistungen verloren hat und der pflegebedürftige Ehegatte ins Pflegeheim muss.

b) Nach den Feststellungen der ersten Instanz hat der Kl. seine vor dem Unfall erheblich pflegebedürftigen Ehefrau (Pflegestufe III), bis auf wenige Tage, die sie in der Tagespflege war, in der Wohnung versorgt und seinen Unterhaltsbeitrag durch Pflegeleistungen erbracht (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.7.2010 – 1 U 69/09 Schadens-Praxis 2011, 14). Weiter ist das LG der Auffassung, infolge der erlittenen Verletzungen habe die Pflege im bisherigen Umfang nicht fortgeführt werden können. Das Vorbringen der Bekl. zum Gesundheitszustand der zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau des Kl., der eine heimische Pflege ausgeschlossen habe, sei spekulativ.

2. Das hält einer Überprüfung jedoch nicht stand. Das LG stützt seine Überzeugung zur Pflege der Ehefrau vor dem Unfall sowie die Beurteilung der Ursächlichkeit des vom Kl. erlittenen Unfalls für die Pflege seiner Ehefrau in einem Pflegeheim ausschließlich auf die Anhörung des Kl. Das ist verfahrensfehlerhaft.

a) Nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilverfahrensrechts müssen bestrittene, erhebliche Parteibehauptungen i.d.R. mit den in der ZPO vorgesehenen – Beweismitteln bewiesen werden. Die Frage, ob der Tatrichter seine Entscheidung auf bestrittenes Vorbringen einer Partei im Wege der Anhörung nach § 141 ZPO oder der Vernehmung nach § 448 ZPO stützen kann, stellt sich grds. nur, wenn die Partei sich in Beweisnot befindet (vgl. zu § 448 ZPO BGHZ 110, 363, 365 f.), ihr also keine Beweismittel zur Verfügung stehen oder diese nicht ausreichen (BGHR ZPO § 286 Abs. 1 S. 1 Parteianhörung 1). Dass dies der Fall ist, ist nicht ersichtlich. Darauf wäre der Kl. hinzuweisen gewesen.

Dem war die erste Instanz auch nicht dadurch enthoben, dass sie das Vorbringen des Bekl. als spekulativ und die Darstellung des Kl. als wahrscheinlich erachtet hat (vgl. BGH, Beschl. v. 7.12.2006 – IX ZR 173/03 Beschl. v. ZPO § 287 Abs. 1 S. 2 Beweisanträge 2). Richtig ist, dass dann, wenn wie hier die Körperverletzung als durch den Unfall verursachten Primärschaden feststeht, für den Ursachenzusammenhang zwischen dem konkreten Haftungsgru...

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