BGB § 323 Abs. 2 Nr. 3 § 474 Abs. 1 S. 1 § 475 Abs. 1 S. 1

Leitsatz

1. Der Verkauf beweglicher Sachen durch eine GmbH an einen Verbraucher fällt, auch soweit es sich um branchenfremde Nebengeschäfte handelt, im Zweifel unter die Bestimmungen der §§ 474 ff. BGB zum Verbrauchsgüterkauf (im Anschluss an BGH, Urt. v. 9.12.2008 – XI ZR 513/07, BGHZ 179, 126, zum Verbraucherdarlehensvertrag).

2. Beim Verbrauchsgüterkauf ist bei einem behebbaren Sachmangel eine Fristsetzung zur Nacherfüllung als Voraussetzung für einen Rücktritt vom Vertrag auch im Falle eines – unwirksamen – formularmäßigen Gewährleistungsausschlusses nicht entbehrlich (Aufgabe des Senatsurt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06, BGHZ 170, 31 Rn 44).

BGH, Urt. v. 13.7.2011 – VIII ZR 215/10

Sachverhalt

Der Ehemann und Zedent der geltend gemachten Forderung kaufte 2006 von der Bekl. unter Ausschluss der Gewährleistungsrechte einen gebrauchten Pkw zum Preise von 7.540 EUR. Etwa zwei Wochen nach der Übergabe und Bezahlung des Pkw erklärte der Zedent die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung mit der Begründung, die Bekl. habe ein Klappergeräusch im Motorbereich verschwiegen. Die Bekl. erwiderte hierauf, das Fahrzeug sei zum Zeitpunkt der Übergabe mangelfrei gewesen und lehnte unter Zurückweisung der Anfechtung die Rückabwicklung ab. Die Klage der Kl. aus abgetretenem Recht auf Rückzahlung des Kaufpreises und Feststellung des Annahmeverzuges der Bekl. wies das LG ab. Das BG änderte das erstinstanzliche Urt. ab und gab der Zahlungsklage unter Berücksichtigung des Nutzungswertersatzes im Wesentlichen, dem Feststellungsantrag insgesamt statt. Die Revision hatte Erfolg und führte zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urt.

2 Aus den Gründen:

[9] "… Die Kl. hat keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags v. 29.12.2006."

[10] Im Revisionsverfahren ist aufgrund der rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung des BG nicht mehr im Streit, dass die vom Zedenten erklärte Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung nicht durchgreift und damit ein Anspruch der Kl. auf eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung gem. §§ 812 ff. BGB ausscheidet. Der Kl. steht aber, anders als das BG meint, auch ein vertraglicher Rückabwicklungsanspruch wegen eines Sachmangels des gekauften Fahrzeugs (§ 346 i.V.m. §§ 437, 440, 323 BGB) nicht zu.

[11] 1. Allerdings rügt die Revision ohne Erfolg, das BG hätte der Klage unter dem Gesichtspunkt der vertraglichen Sachmangelgewährleistung schon deshalb nicht stattgeben dürfen, weil der Kl. ein daraus etwa herzuleitender Rückabwicklungsanspruch bereits durch das Urt. des LG rechtskräftig aberkannt worden sei. Das trifft nicht zu.

[12] a) Das LG hat mit Recht in der Anfechtungserklärung des Zedenten zugleich eine Rücktrittserklärung gesehen (vgl. Senatsurt. v. 10.3.2010 – VIII ZR 182/08, NJW 2010, 2503 Rn 15 f.) und folgerichtig den von der Kl. geltend gemachten Rückabwicklungsanspruch sowohl unter dem Gesichtspunkt einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung wegen arglistiger Täuschung als auch einer vertraglichen Rückabwicklung wegen eines Sachmangels geprüft. Es hat die Voraussetzungen beider Anspruchsgrundlagen verneint. Dagegen hat die Kl. unter Wiederholung ihrer erstinstanzlichen Anträge uneingeschränkt Berufung eingelegt. Das BG war deshalb prozessual nicht daran gehindert, der Klage im Hinblick auf einen vertraglichen Rückabwicklungsanspruch aus §§ 437, 440, 323, 346 BGB stattzugeben.

[13] b) Der Umstand, dass die Kl. in ihrer Berufungsbegründung nur die Beweiswürdigung des LG zur Frage der arglistigen Täuschung beanstandet hat, nicht aber die Ausführungen des LG zum vertraglichen Rückabwicklungsanspruch wegen eines Sachmangels, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

[14] Das BG ist nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, den vorgetragenen Sachverhalt im Hinblick auf alle für den geltend gemachten Klageanspruch in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zu beurteilen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 520 Abs. 3 ZPO. Die in dieser Bestimmung vorgeschriebene Angabe der Berufungsgründe ist nur Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels, hat aber keine Beschränkung des Prüfungsumfangs des BG auf die in der Berufungsbegründung angeführten Beanstandungen zur Folge. So kann und muss das BG konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 ZPO) berücksichtigen, die ihre Grundlage im erstinstanzlichen Vorbringen der Parteien haben, auch wenn das Übergehen dieses Vortrags vom Berufungskläger nicht zum Gegenstand einer Berufungsrüge gemacht worden ist (BGH, Urt. v. 12.3.2004 – V ZR 257/03, BGHZ 158, 269, 278 f.). Erst recht gilt dies für die materiell-rechtliche Beurteilung des Klageanspruchs in der Berufungsinstanz. Sie unterliegt auch in der Berufungsinstanz keinen Einschränkungen und ist nicht auf die in der Berufungsbegründung angeführten rechtlichen Gesichtspunkte beschränkt (§ 529 Abs. 2 S. 2 ZPO).

[15] Deshalb stellt auch der Hinweis des BG an die Parteien, dass die Bekl. Unternehmer i.S...

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