StVG § 25; StVO § 37; BKatV § 4; SGB V § 60 § 92

Leitsatz

1. Sieht das Tatgericht von der Verhängung eines Regelfahrverbots wegen eines Härtefalls ab, so stellt es einen sachlich-rechtlichen Fehler dar, wenn die den Härtefall begründenden Feststellungen auf der Einlassung des Betr. beruhen, der Tatrichter die Richtigkeit dieser Einlassung aber nicht überprüft hat.

2. Wird vorgetragen, dass der Betr. krankheitsbedingt auf die Nutzung des Kfz angewiesen ist, muss das Tatgericht erwägen, ob ggf. eine Übernahme der Fahrtkosten durch die Krankenkasse nach § 60 Abs. 1 S. 2 SGB V in Verbindung mit der Krankentransport-Richtlinie (Stand: 18.2.2016) des Gemeinsamen Bundesausschusses über die VO von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 12 SGB V in Betracht kommt.

OLG Bamberg, Beschl. v. 17.1.2017 – 3 Ss OWi 1620/16

Sachverhalt

Wegen eines fahrlässig begangenen qualifizierten Rotlichtverstoßes erging ein Bußgeldbescheid über 300 EUR und es wurde ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Auf den wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Einspruch hin hat das AG den Betr. mit dem angefochtenen Urteil zu einer Geldbuße von 500 EUR verhängt und von einem Fahrverbot abgesehen. Auf die Rechtsbeschwerde der StA hat das OLG Bamberg das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

2 Aus den Gründen:

" … Die gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und mit Schreiben v. 8.11.2016 zulässig begründete Rechtsbeschwerde der StA hat bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht bedarf."

1. Gegen den Betr. hat gem. §§ 24, 25 Abs. 1 S. 1 StVG, § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BKatV i.V.m. lfd. Nr. 132.3 Tab. 1 BKat neben einer Geldbuße von 200 EUR die Anordnung eines Fahrverbots für die Dauer eines Monats wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel zu erfolgen.

2. Dies hat das AG auch nicht verkannt. Es hat indes von der Anordnung eines Fahrverbots bei gleichzeitiger Erhöhung des als Regelsatz vorgesehenen Bußgeldes von 200 EUR auf 500 EUR mit der Begründung abgesehen, dem Betr. sei es aufgrund einer Lungenkrankheit, wegen der er zweimal wöchentlich einen Facharzt in der von seinem Wohnort 15 km entfernten kreisfreien Stadt aufsuchen müsse, nicht zuzumuten, diese Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen. Die nächstgelegene Bushaltestelle sei ca. 2 km entfernt. Aufgrund seiner Lungenkrankheit könne er diese Wegstrecke nicht zu Fuß zurücklegen. Die Tochter des Betr. sei berufstätig und könne ihn deshalb nicht zum Arzt fahren; sein Schwiegersohn verfüge über keine Fahrerlaubnis. Weitere Familienangehörige oder Bekannte stünden ebenfalls nicht zur Verfügung. Ferner sei es dem Betr., der ein Krankengeld i.H.v. 588 EUR beziehe und kein Vermögen besitze, aufgrund seiner beengten finanziellen Verhältnisse nicht zumutbar, einen Fahrer anzustellen oder mit einem Taxi zu den Arztbesuchen zu fahren.

3. Die Begründung, mit der das AG von der Verhängung eines Fahrverbots gegen den Betr. abgesehen hat, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Zwar folgt aus § 4 Abs. 1 S. 1 BKatV nicht, dass ausnahmslos ein Fahrverbot zu verhängen wäre. Vielmehr steht dem Tatrichter ein Ermessensspielraum zu, um Verstößen im Straßenverkehr mit der im Einzelfall angemessenen Sanktion zu begegnen (BVerfG NJW 1996, 1809). Die Frage, ob die Würdigung der Tat und der Persönlichkeit des Täters besondere Umstände ergibt, nach denen es ausnahmsweise der Warn- und Denkzettelfunktion eines Fahrverbots im Einzelfall nicht bedarf, liegt grundsätzlich in seinem Verantwortungsbereich. Der Tatrichter hat innerhalb des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums die Wertungen nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen zu treffen. Seine Entscheidung kann vom Rechtsbeschwerdegericht deshalb nur daraufhin überprüft werden, ob er sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, weil er die anzuwendenden Rechtsbegriffe verkannt, die Grenzen des Ermessens durch unzulässige Erwägungen überschritten und sich nicht nach den Grundsätzen und Wertmaßstäben des Gesetzes gerichtet hat. In Zweifelsfällen hat das Rechtsbeschwerdegericht die Bewer tung des Tatrichters zu respektieren, und zwar auch dann, wenn es selbst hinsichtlich der Frage des Fahrverbots zu einem abweichenden Ergebnis gelangte.

b) Diesen Maßstäben genügt das angefochtene Urteil nicht. Einen Ausnahmefall für ein Absehen vom Fahrverbot können zwar Härten ganz außergewöhnlicher Art begründen. Die diesbezüglichen Erwägungen des AG sind aber rechtsfehlerhaft.

aa) Die Feststellungen zu den Umständen, die das AG zum Absehen von der Verhängung des Fahrverbots veranlasst haben, leiden bereits an grundlegenden Darstellungsmängeln, weil hierfür in den Urteilsausführungen jeder Beleg fehlt. Ersichtlich hat das AG allein die Einlassung des Betr. zugrunde gelegt, ohne diese auch nur ansatzweise kritisch zu hinterfragen (vgl. hierzu zuletzt OLG Bamberg, zfs 2016, 290; OLG Bamberg, Beschl. v. 22.7.2016 – 3 Ss ...

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