Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Kriterien für Beharrlichkeitsmaßstab

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Verwirkung eines bußgeldrechtlichen Fahrverbots aufgrund eines Regelfalls im Sinne der §§ 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StVG i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV kommt es weder darauf an, ob sich der neuerliche Verkehrsverstoß zugleich als Regelfall nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BKatV darstellt noch darauf, dass der Betroffene bislang erst eine einschlägige Voreintragung aufweist oder darauf, dass die Jahresfrist des § 4 Abs. 2 Satz 2 BKatV nur knapp unterschritten worden ist.

2. Dass der Betroffene als 'Vielfahrer' berufsbedingt verstärkt am Straßenverkehr teilnimmt und nunmehr erst zum zweiten Mal wegen eines einschlägigen Verstoßes auffällig geworden ist, rechtfertigt ein Abweichen von der Regelahndung auch in Verbindung mit der Annahme einer günstigen Prognose hinsichtlich des künftigen Verkehrsverhaltens grundsätzlich nicht (u.a. Festhaltung an OLG Bamberg, Beschluss vom 01.12.2015 - 3 Ss OWi 834/15 = StraFo 2016, 116).

3. Die Wertung eines Pflichtenverstoßes als beharrlich im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. StVG setzt nicht ausnahmslos die Feststellung wenigstens einer rechtskräftig abgeschlossenen Ahndung einer früheren Zuwiderhandlung im Zeitpunkt der neuerlichen Tat voraus. Häufig kann und wird es genügen, wenn dem Betroffenen vor der neuen Tat das Unrecht einer früheren Tat auf andere Weise bewusst geworden ist, etwa dann, wenn er durch die Zustellung eines Bußgeldbescheids positive Kenntnis von der Verfolgung der früheren Ordnungswidrigkeit erlangt hatte (OLG Bamberg, Beschluss vom 16.03.2015 - 3 Ss OWi 236/15 = VerkMitt 2015, Nr. 35 = DAR 2015, 392 = OLGSt StVG § 25 Nr. 59 m.w.N.).

4. Angaben eines Betroffenen, es drohe bei Verhängung eines Fahrverbots der Verlust seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage, dürfen vom Tatgericht nicht ungeprüft übernommen werden. Vielmehr ist ein derartiger Vortrag nach stRspr. vom Tatrichter kritisch zu hinterfragen, um das missbräuchliche Behaupten eines Ausnahmefalles auszuschließen. Zugleich wird das Rechtsbeschwerdegericht nur so in die Lage versetzt, die Rechtsanwendung nachzuprüfen (u.a. Anschluss an OLG Bamberg, Beschlüsse vom 11.04.2006 - 3 Ss OWi 354/06 = ZfS 2006, 533 = DAR 2006, 515 = VRS 111 [2006], 62 = SVR 2007, 65 und vom 28.12.2015 - 3 Ss OWi 1450/15 = BA 53 [2016], 192 = ZfS 2016, 290; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 10.12.2015 - 1 Ss Bs 57/15 = ZfS 2016, 294; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.07.2015 - 1 RBs 200/14 [bei [...]]; KG, Beschluss vom 25.03.2015 - 162 Ss 4/15 [bei [...]]).

 

Normenkette

StVG §§ 24, 25 Abs. 1 S. 1; BKatV § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2

 

Tatbestand

Das AG hat den Betr. am 27.04.2016 wegen einer am 10.09.2015 als Führer eines Pkw auf einer Autobahn begangenen fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt. Von dem im Bußgeldbescheid neben einer Geldbuße von 80 Euro nach Maßgabe des § 25 IIa 1 StVG angeordneten Fahrverbot von 1 Monat wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers hat das AG demgegenüber abgesehen. Mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde rügt die StA die Verletzung materiellen Rechts; sie beanstandet, dass das AG von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen hat. Das Rechtsmittel erwies sich als erfolgreich.

 

Entscheidungsgründe

I. Die gemäß § 79 I 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch sonst zulässige, aufgrund der wirksamen Rechtsmittelbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch nur noch diesen betreffenden Rechtsbeschwerde, erweist sich als - zumindest vorläufig - begründet, weil die Erwägungen, auf Grund derer das AG von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen hat, einer rechtlichen Nachprüfung nicht standhalten.

1. Wie das AG richtig erkannt hat, lagen aufgrund der Vorahndungslage die Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbots wegen eines Regelfalls eines beharrlichen Pflichtenverstoßes i.S.v. § 25 I 1 2. Alternative StVG i.V.m. § 4 II 2 BKatV vor, nachdem gegen den Betr. wegen einer früheren, am 26.05.2014 begangenen (außerörtlichen) Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h, nämlich um 30 km/h bereits eine Geldbuße von 80 Euro rechtskräftig festgesetzt worden war und der Betr. mit der verfahrensgegenständlichen Tat vom 10.09.2015 knapp 1 Jahr nach Eintritt der Rechtskraft dieser Vorahndung am 19.09.2014 nunmehr eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung um 29 km/h begangen hat.

2. Zwar folgt aus § 4 II 2 BKatV in der Tat nicht, dass ausnahmslos ein Fahrverbot zu verhängen wäre. Vielmehr steht dem Tatrichter ein Ermessensspielraum zu, um Verstößen im Straßenverkehr mit der im Einzelfall angemessenen Sanktion zu begegnen (BVerfG NJW 1996, 1809; st.Rspr. der Rechtsbeschwerdesenate des OLG Bamberg, vgl. u.a. Beschl. v. 17.03.2008 - 2 Ss OWi 265/08 = VRS 114 [2008], 379 = VerkMitt 2008, Nr. 54 = OLGSt StVG § 4 Nr. 1 = VRR 2008, ...

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