[14] "… Zu Recht hat das BG eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nach § 5 Nr. 3a) AVB durch die Kl. angenommen, weil diese dem Verlangen des führenden VR, eine Stellungnahme der tätig gewordenen Sachbearbeiterin vorzulegen, selbst nach dessen wiederholter Aufforderung im Schreiben v. 15.3.2002 nicht nachgekommen ist, sondern sich geweigert hat, eine solche Erklärung einzuholen."

[15] 1. Durch § 5 Nr. 3a) AVB wird die Auskunftspflicht des VN nach § 34 VVG a.F., der auf den Schadenfall gem. Art. 1 Abs. 2 EGVVG Anwendung findet, lediglich weiter präzisiert. Zur Reichweite der Auskunftspflicht der Kl. gilt deshalb, dass es grds. Sache des VR ist, welche Angaben er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, um seine Entscheidung über die Leistungspflicht auf ausreichender und gesicherter Tatsachengrundlage treffen zu können. Dazu gehören auch Umstände, die lediglich Anhaltspunkte für oder gegen das Vorliegen eines Versicherungsfalls liefern können. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob sich die vom VN geforderten Angaben am Ende nach dem Ergebnis der Prüfung als für die Frage der Leistungspflicht tatsächlich wesentlich erweisen (Senat VersR 2006, 258 unter II 1 b; vgl. zum inhaltlich unveränderten neuen Recht auch Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 31 Rn 7). Somit ist die Frage der Erforderlichkeit der erbetenen Auskünfte ex ante zu beurteilen, wobei dem VR ein erheblicher Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist.

[16] Maßgeblich für die Zulässigkeit von Auskunftsersuchen des VR und die Reichweite der sich daraus ergebenden Auskunftspflicht des VN ist der Zweck der Aufklärungsobliegenheit, die dem VR die sachgerechte Prüfung seiner Leistungspflicht ermöglichen soll, was auch der durchschnittliche VN in Anbetracht der Regelung über die Weisungsbefugnis des VR und die weite Fassung der Klausel mit Einbeziehung aller Tatumstände, die auch nur “Bezug‘ auf den Schadenfall haben, erkennen kann. Danach erstreckt sich die Auskunftspflicht auf jeden Umstand, der zur Aufklärung des Tatbestands dienlich sein kann (vgl. auch Senat VersR 2000, 222), soweit dem VN nichts “Unbilliges zugemutet‘ wird.

[17] 2. Hieraus folgt im Streitfall, dass die Kl. gehalten war, zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts auch mitzuteilen, was ihre frühere Sachbearbeiterin noch selbst zu den Gründen ihrer fehlerhaften Bearbeitung angeben kann, und hierzu die erbetene Stellungnahme ihrer früheren Sachbearbeiterin einzuholen oder sich wenigstens hierum zu bemühen.

[18] Dies war nicht deshalb entbehrlich, weil der äußere Ablauf der Vorgänge bereits von einem anderen Mitarbeiter der Kl. ermittelt und mitgeteilt worden war. Für die Feststellung des Versicherungsfalls kam es nicht nur auf diesen äußeren Ablauf, sondern auch auf die Frage des Verschuldens der Sachbearbeiterin an, da nur fahrlässige Pflichtverletzungen versichert sind, ein Versicherungsfall also sowohl bei vorsätzlichem als auch bei schuldlosem Handeln ausschied. Deshalb war es in jedem Falle zweckdienlich, auch eine Äußerung der Handelnden selbst herbeizuführen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf einen etwaigen Vorsatz, für dessen Feststellung anderenfalls nur auf Indizien, Erfahrungssätze und Schlussfolgerungen zurückgegriffen werden könnte, als auch im Hinblick darauf, ob der Sachbearbeiterin die korrekte Arbeitsweise bekannt war und warum sie nicht angewandt wurde, was für einen Fahrlässigkeitsvorwurf von Bedeutung ist. Mag auch die Wahrscheinlichkeit groß sein, dass diese nach so vielen Jahren keine konkrete Erinnerung an den einzelnen Vorgang mehr hatte, so kann dies doch nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Selbst wenn die Auffassung der Revision, dass schon nach der Lebenserfahrung bei der vorliegenden Konstellation in jedem Falle von einem fahrlässigen Pflichtverstoß auszugehen wäre, für den Regelfall zutreffen sollte, so hätten durch eine Befragung der Sachbearbeiterin möglicherweise eventuelle besondere Umstände zutage gefördert werden können, die die nach der Lebenserfahrung naheliegende Fahrlässigkeit in die eine oder andere Richtung ausschließen konnten und deshalb ggf. eine vom Regelfall abweichende Beurteilung erforderten. Zur Prüfung der Frage, ob hier eventuell ein solcher Ausnahmefall vorliegt, war die erbetene Stellungnahme nicht von vornherein ungeeignet. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Revision zitierten Urteil des OLG Hamm (VersR 1978, 711), weil sich in dem dort entschiedenen Sachverhalt die Person des tätig gewesenen Sachbearbeiters gerade nicht mehr feststellen ließ.

[19] Der Annahme einer Obliegenheitsverletzung steht nicht entgegen, dass die Kl. das, was sie an Tatsachen schon ermittelt hatte und deshalb positiv wusste, dem führenden VR mit der Schadenanzeige und dem Bericht ihres Mitarbeiters H. bereits mitgeteilt hatte. Der auskunftspflichtige VN muss sich über die Tatsachen, zu denen der VR berechtigt Auskunft verlangt, ggf. erkundigen (Senat VersR 1993, 828 unter 2c; vgl. auch Prölss, in: Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 31 Rn 3; V...

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