Der Anwaltssenat führt aus, dass unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu überprüfen ist, ob eine Interessenkollision vorliegt. Im entschiedenen Fall hatte eine Kollegin im Scheidungsverfahren und im Verfahren über Zugewinnausgleich den Ehemann vertreten und mit dessen Einverständnis Unterhaltsansprüche des volljährigen Sohnes gegen die Ehefrau geltend gemacht. Die zuständige Rechtsanwaltskammer hatte einen Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO und § 3 Abs. 1 BORA angenommen, da neben dem geltend gemachten Unterhaltsanspruch gegen die Mutter des volljährigen Sohnes auch Unterhaltsansprüche gegen den von der Kollegin vertretenen Ehemann und Vater des Klägers bestünden. Diese Vertretung widerstreitender Interessen könne auch nicht dadurch aufgehoben werden, dass der Mandant mit diesem Vorgehen sein Einverständnis erklärt habe.

Der BGH führt aus, dass es sich bei der Vertretung im Zugewinnverfahren und bei der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs eines volljährigen Kindes gegen seine Eltern um "dieselbe Rechtssache" handele. Da der volljährige Sohn sowohl Unterhaltsansprüche gegenüber seiner Mutter als auch gegenüber dem von der Kollegin vertretenen Vater habe, sei auch die Unterhaltspflicht des Vaters berührt. Ob tatsächlich widerstreitende Interessen vertreten würden, könne nicht ohne Blick auf die konkreten Umstände des Falls beurteilt werden. Wenn der volljährige Sohn in Kenntnis aller Umstände gleichwohl dieselbe Rechtsanwältin beauftrage, die den Vater im Zugewinnausgleichsverfahren vertrat, fehle es bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise an einem Interessengegensatz. Das Anknüpfen an einen möglichen, tatsächlich aber nicht bestehenden (latenten) Interessenkonflikt sei verfassungsrechtlich unzulässig. Aus der Entscheidung ergibt sich, dass die Beschränkung eines Mandats auf einen bestimmten Anspruchsgegner zulässig ist, auch wenn die Durchsetzung dieses Anspruchs mittelbar oder unmittelbar Einfluss auf ein anderes bestehendes Mandatsverhältnis haben kann.

[9] AnwZ 35/11, NJW 2012, 3039.

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