Die technische Entwicklung hat zu Verkleinerungen von Videokameras geführt, die in Fahrzeugen an der Windschutzscheibe, an Fahrrädern und Helmen befestigt werden können (sog. Dash-Cams und Action Cams; vgl. Bachmeier, DAR 2014, 15, 16). Preiswerter zur Fertigung von Videoaufnahmen sind vorhandene Smartphones; technischer Fortschritt auf diesem Gebiet wird absehbar zu weiteren Verbesserungen der Aufnahmequalität führen (vgl. Bachmeier, a.a.O.).

1. Der Einsatz von Minikameras im Straßenverkehr zur Dokumentation von Straßenverkehrsunfällen bietet sich schon deshalb an, weil damit die Schwächen der Aufklärung durch Zeugen mit zweifelhafter Wahrnehmungsfähigkeit und die Beeinträchtigung von Gutachten wegen unzureichender Anknüpfungstatsachen vermieden werden können, vielmehr ein objektives Beweismittel zur Verfügung steht. Allerdings kann der Aufnehmende – wie im vorliegenden Fall – bei der Auswertung der Videoaufnahme im Rechtsstreit eine Enttäuschung erleben, sei es, dass die Aufnahme Anhaltspunkte für sein Fehlverhalten im Straßenverkehr ergibt, sei es, dass die Aufnahme wegen des nicht erfassten Bereichs seine Angaben zum Unfallhergang nicht bestätigt. Ob eine gefertigte Videoaufnahme im Verkehrsrechtsstreit verwertet werden darf, hängt in erster Linie davon ab, ob die Fertigung der Aufnahme zulässig gewesen ist. Die Vereinbarkeit der Kameranutzung mit den Bestimmungen das BDSG dürfte unter Offenlassen sonstiger Rechtfertigungsgründe (vgl. dazu Bachmeier, a.a.O.) jedenfalls deshalb zu bejahen sein, weil die Aufzeichnung fließenden Verkehrs eine Verarbeitung allgemein zugänglicher Daten i.S.d. des § 28 Abs. 1 Nr. 3 BDSG ist (vgl. Forgo/Krügel/Müllenbach, CR 2010, 616, 621; Klann, DAR 2013, 188, 189). Ob eine Rechtswidrigkeit der Kameranutzung nach §§ 22, 23 KunstUrhG anzunehmen ist, erscheint dann zweifelhaft, wenn der Aufnehmende die ihm nur schwer widerlegbare Darstellung abgibt, die Aufnahme nur als Erinnerungsmittel gefertigt zu haben, dass die Aufnahme auch als Beweismittel dienen könne, sei ein durch § 23 Abs. 1 Nr. 2 KunstUrhG privilegiertes "Abfallprodukt" gewesen.

2. Der Schwerpunkt der Auseinandersetzung über die Zulässigkeit des Kameraeinsatzes liegt ohnehin allein in der verfassungsrechtlichen Beurteilung, die sich auch darauf erstreckt, ob eine Verwertung der Aufnahme im Rechtsstreit zulässig ist oder bei Verneinung der Zulässigkeit der Aufnahme ein Beweisverwertungsverbot eingreift. Die auf breiter Basis geführte Auseinandersetzung über die Zulässigkeit gefertigter Videoaufnahmen, sei es die Videoüberwachung öffentlicher Plätze (BVerfG NVwZ 2007, 688), die Videoüberwachung in Straßentunneln (Ruth-Schumacher/Arzt, NVwZ 2012, 313), die videogestützte Kfz-Kennzeichenerfassung (BVerfG NJW 2008, 1505) und die unter Einsatz von Videotechnik erfolgte Überwachung nach den Polizeigesetzen (vgl. dazu Siegel, NVwZ 2012, 738, 740) haben zu der Feststellung geführt, dass damit in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des zufällig oder erkennbaren Unfallgegners eingegriffen worden ist (vgl. BVerfG NVwZ 2007, 688; BVerwG NVwZ 2012, 757; Klar, MMR 2012, 788; Siegel, NVwZ 2012, 738). Sollte der Einsatz von Gesichterkennungstechniken unter Auswertung der Videoaufnahme erforderlich sein, läge zusätzlich ein Eingriff in die Menschenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 GG vor (vgl. BVerfGE 65, 1, 52; BVerfG MMR 2004, 302; BVerfG MMR 2005, 371; Klar, Datenschutz und Visualisierung des öffentlichen Raums, 2012, S. 620).

3. Diese Ausgangsfeststellung führt allerdings nicht dazu, dass von einer fehlenden Verwertbarkeit der Videoaufnahme im Verkehrsrechtsstreit ausgegangen werden kann. In der Praxis hat sich nicht die Auffassung durchgesetzt, dass es der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung gebiete, dass rechtswidrig erlangte Beweismittel im Prozessrecht nicht verwertet werden können (vgl. dazu LG Kassel NJW-RR 1990, 62). Damit ist allerdings nicht der Weg frei für die Auffassung, dass Beweisverwertungsverbote nicht im Verfahrensrecht zu beachten seien, da der Schutz der Parteien vor rechtswidrig erlangten Beweisen ausschließlich durch das materielle Recht zu gewähren sei (so Dauster/Braun, NJW 2000, 313).

Vielmehr schlägt die Praxis eine gebotene mittlere Linie ein: Dass eine Partei grds. alle ihr zur Verfügung stehenden Beweismittel im Rechtsstreit einführen darf, folgt aus dem Justizgewährungsanspruch (vgl. OLG Jena MDR 2012, 542, 543; Kiethe, MDR 2005, 965, 967). Justizgewährungsanspruch und rechtliches Gehör bilden mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung konkurrierende grundrechtliche Positionen. Bei aller Vorsicht einer generalisierenden Aussage dürfte im Regelfall davon ausgegangen werden, dass ein Beweisverwertungsverbot im Rechtsstreit nicht besteht. Ein Beweisergebnis darf im Normalfall verwertet werden, eine Abweichung von dieser Regel bedarf bei gefertigten Aufnahmen einer Rechtfertigung (vgl. Laumen, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 5. Aufl., § 284 ZPO Rn 25; MüKo-ZPO, 3. Aufl., § 284 ZPO Rn 18; Katzenmeier, ZZ...

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