VVG § 39 a.F.; VVG § 38 n.F.

Leitsatz

Die Fristsetzung wegen Zahlungsverzugs mit einer Folgeprämie gem. § 39 Abs. 1 VVG a.F. (jetzt § 38 Abs. 1 VVG) muss bei einer Mehrheit von VN, auch wenn diese unter derselben Anschrift wohnhaft sind, durch gesonderte schriftliche Mitteilung gegenüber jedem VN erfolgen.

BGH, Urt. v. 8.1.2014 – IV ZR 206/13

Sachverhalt

Der Kl., Insolvenzverwalter über das Vermögen des B, macht gegen die Bekl. Ansprüche aus einer Risikolebensversicherung geltend. B und seine Lebensgefährtin schlossen mit der Bekl. einen Vertrag über eine Risikolebensversicherung für verbundene Leben. Ausweislich des Versicherungsscheins v. 11.4.2006 waren B und seine Lebensgefährtin VN sowie jeweils versicherte Person. Mit einem an B und dessen Lebensgefährtin unter deren gemeinsamer Anschrift gerichteten Schreiben v. 29.6.2008 wies die Bekl. auf einen Beitragsrückstand i.H.v. 318,42 EUR hin. Sie forderte die VN auf, den Rückstand innerhalb einer Frist von zwei Wochen zu zahlen, mahnte sie und kündigte den Vertrag vorsorglich.

Am 18.7.2008 verstarb die Lebensgefährtin des B, ohne dass die rückständige Prämie bis zu diesem Zeitpunkt gezahlt worden wäre.

2 Aus den Gründen:

[7] "… Die Bekl. ist nicht wegen Nichtzahlung der Folgeprämie gem. § 39 Abs. 2 VVG a.F. leistungsfrei. Auf den Rechtsstreit findet noch das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung Anwendung, da der Versicherungsfall – der Tod der Lebensgefährtin des B – im Jahr 2008 eingetreten ist (Art. 1 Abs. 2 EGVVG)."

[8] 1. Rechtsfehlerfrei hat das BG zunächst einen wirksamen Zugang des qualifizierten Mahnschreibens v. 29.6.2008 angenommen. Für den Zugang gem. § 130 BGB genügt es, wenn das Schreiben so in den Bereich des Empfängers gelangt, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (vgl. BGH NJW-RR 2011, 1184 Rn 15 … ). Zugang bei der Lebensgefährtin des B war mithin bereits dadurch erzielt, dass das Schreiben in den gemeinsamen Briefkasten gelegt wurde, so dass sie die Möglichkeit hatte, hiervon Kenntnis zu nehmen. Im Übrigen hat der Kl. unter Beweisantritt des B vorgetragen, dieser habe das Mahnschreiben “entgegengenommen und geöffnet’ Familienmitglieder wie Ehegatten und Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft werden regelmäßig als Empfangsboten angesehen. …

[9] Es bestehen auch keine Bedenken gegen die Annahme des BG, dem Mahnschreiben habe bereits durch die Benennung zweier unter derselben Anschrift wohnhafter Empfänger eindeutig entnommen werden können, dass die Mahnung sowohl an B als auch an dessen Lebensgefährtin gerichtet gewesen sei. Soweit die Revision meint, das Schreiben könne dahin verstanden werden, dass sich dieses lediglich alternativ an B oder dessen Lebensgefährtin gerichtet habe, gibt es hierfür keine Anhaltspunkte. In dem Kopf des Schreibens heißt es:

“Herrn und Frau

Dr. Pietr B.

u. Mona S.’

[10] Es ist mithin ersichtlich, dass das Schreiben an beide Empfänger und nicht nur an einen von ihnen gerichtet ist. Unerheblich ist ferner, dass die Höflichkeitsformel zu Beginn des Schreibens lediglich pauschal “Sehr geehrte Damen und Herren’ lautet. Auch wenn nur eine pauschale Anrede benutzt wurde, konnte für die VN kein Zweifel daran bestehen, dass das Schreiben an sie beide gerichtet war.

[11] 2. Unabhängig von der Frage des Zugangs gem. § 130 BGB ist die Mahnung der Bekl. durch das Schreiben v. 29.6.2008 allerdings deshalb unwirksam, weil ein an mehrere VN gerichtetes qualifiziertes Mahnschreiben gem. § 39 VVG a.F. (Entsprechendes gilt für § 38 VVG n.F.) nicht in einem Schreiben zusammengefasst werden darf. Vielmehr muss der VR, selbst wenn die VN unter derselben Anschrift wohnen, an jeden von ihnen eine gesonderte qualifizierte Mahnung richten.

[12] a) Der BGH hat es bereits in einer Entscheidung zu § 12 Abs. 3 VVG a.F. nicht für ausreichend erachtet, dass der VR das Ablehnungsschreiben an die unter derselben Anschrift wohnenden VN in einem Schreiben zusammenfasst (VersR 1961, 651, 652). Zur Begründung hat er darauf abgestellt, aufgrund der Selbstständigkeit der Versicherungsansprüche müsse der VR jedem der VN gesondert eine den Erfordernissen des § 12 Abs. 3 S. 2 VVG a.F. entsprechende schriftliche Ablehnungserklärung übersenden. Der Lauf der Klagefrist könne für den VN zu schwerwiegenden Rechtsnachteilen führen, weil ihm die Gefahr drohe, allein durch die Versäumung der Frist einen ihm an sich zustehenden Versicherungsanspruch zu verlieren.

[13] b) Diese Erwägungen sind auf das qualifizierte Mahnschreiben gem. § 39 VVG a.F. (§ 38 VVG n.F.) zu übertragen. Der VR muss daher gegenüber jedem VN eine qualifizierte Mahnung in einem gesonderten Schreiben aussprechen (so auch OLG Hamm VersR 1962, 502, 503; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl., § 38 Rn 9). Maßgebend hierfür ist die Schutzbedürftigkeit des VN. Wie bei § 12 Abs. 3 VVG a.F. der Fristablauf durch die nicht rechtzeitig erfolgte gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs zu dessen Verlust führt, so kann bei § 39 VVG a.F. ...

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