1. Bußgeldrechtlich gelagerte Tatvorwürfe sind in vielen Fällen abhängig von technisch-physikalisch gelagerten Sonderfragen, die nur durch Anfertigung von Sachverständigengutachten entschieden werden können.
  2. Diese Grundkonstellation besteht nicht nur bei Messverfahren aufgrund Geschwindigkeitsüberschreitungen und Rotlichtverstößen, sondern darüber hinaus bei angeblichen Ladungsverstößen, Fahrzeugmängeln sowie Zuwiderhandlungen gegen die Straßenverkehrsordnung.
  3. Anlass für die Einholung eines Sachverständigengutachtens besteht für den Bußgeldrichter bei sog. standardisierten Messverfahren nach ständiger Rechtsprechung nur, wenn konkrete Anhaltspunkte für technische Fehlfunktionen des Messgerätes bestehen. Messfehler können aber von nicht sachverständigen Personen kaum festgestellt werden, da sich dazu regelmäßig keine Anhaltspunkte in der Akte befinden.
  4. Um Messfehler aufzudecken oder sich gegen fehlerhafte Tatvorwürfe zu verteidigen, muss der Vorgang durch einen Sachverständigengutachter überprüft werden, oftmals verbleibt dem Betroffenen nur ein Privatgutachten. Ansonsten ist eine Verurteilung des Betroffenen so gut wie sicher.
  5. Ein Privatgutachten kann ebenfalls in Auftrag gegeben werden zur Entkräftung der u.U. nicht sorgfältig gewonnenen Ergebnisse des gerichtlich bestellten Gutachters. Eine nicht für technisch-physikalische bzw. unfallanalytische Fragen ausgebildete Person kann in der Regel die Schwachstellen und Fehler in Gutachten nicht erfolgreich angreifen.
  6. Weigert sich das Gericht, den Privatsachverständigen zu laden und damit anzuhören, kann die Verteidigung dies über die Vorschriften des Selbstladungsverfahrens gem. §§ 220, 38 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG erzwingen.
  7. Der Rechtsschutzversicherer trägt im Rahmen der Verteidigung gegen den Vorwurf einer Verkehrsordnungswidrigkeit die Kosten eines Privatgutachtens, das Risiko der Rückerstattung besteht nicht.
  8. Kommt der Privatgutachter zu anderen Ergebnissen als der gerichtlich bestellte Gutachter, so kann diese "Pattsituation" von der Verteidigung dazu genutzt werden, auf eine Einstellung des Verfahrens aus Opportunitätsgründen hinzuwirken, ansonsten bedarf es der Einholung eines Obergutachtens.

Autor: RA Dr. jur. Ingo E. Fromm , FA für Strafrecht, Koblenz

zfs 3/2014, S. 129 - 132

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