StVG § 7 § 17; StVO § 1 Abs. 2 § 7 Abs. 5 § 8 Abs. 2 § 10 S. 1; VVG § 115

Leitsatz

Bei einer Vorfahrtsverletzung auf einem Parkplatz tritt die einfache Betriebsgefahr des bevorrechtigten Fahrzeugs im Rahmen der Haftungsabwägung nur ausnahmsweise zurück, wenn das Verschulden des Wartepflichtigen durch besondere Umstände erschwert ist.

LG Saarbrücken, Urt. v. 7.6.2013 – 13 S 31/13

Sachverhalt

Der Kl. befuhr mit seinem Pkw ein Parkplatzgelände eines Einkaufsmarktes in Richtung der Ausfahrt. Der Weg war durch eine unterbrochene Linie in zwei Fahrspuren unterteilt, die durch Richtungspfeile gekennzeichnet waren. Von der linken Fahrspur zweigen rechtwinklig Zuwege zu den Stellplätzen ab. Der Kl. kollidierte mit seinem Kfz mit dem Pkw des Bekl. zu 1), das von dem Bekl. zu 2) gesteuert wurde, der bei der Bekl. zu 3) haftpflichtversichert ist, der aus einem Zuweg nach links auf den von dem Kl. mit seinem Fahrzeug befahrenen Hauptumgehungsweg einbiegen wollte. Der Kl., der bei dem Unfall ein HWS-Syndrom erlitten hatte, hat nach Ausgleichung des materiellen Schadens zur Hälfte und einer Zahlung von 200 EUR Schmerzensgeld den nicht regulierten Teil eines materiellen Schadens, ein weiteres Schmerzensgeld von 150 EUR sowie restliche nicht ausgeglichene Anwaltskosten geltend gemacht. Der Kl. hat behauptet, mit seinem Fahrzeug auf der linken der beiden Fahrspuren gefahren zu sein. Unmittelbar vor einer Parkplatzgasse sei die Bekl. zu 2) aus dieser Fahrgasse ungebremst mit stark überhöhter Geschwindigkeit in die Fahrerseite des Fahrzeugs des Kl. gefahren. Die Bekl. haben behauptet, der Kl. sei mit überhöhter Geschwindigkeit von der rechten auf die linke Fahrspur gewechselt, als der Bekl. zu 2) bereits auf die linke Fahrspur eingebogen sei. Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte teilweise Erfolg. Die Kammer ging von einer Mithaftung des Kl. von 20 % wegen der ihm zuzurechnenden Betriebsgefahr aus.

2 Aus den Gründen:

" … II. Das Urt. des AG beruht auf einer Rechtsverletzung und die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO)."

1. Zu Recht ist das Erstgericht allerdings zunächst davon ausgegangen, dass sowohl die Bekl. als auch der Kl. grds. für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gem. §§ 7, 17 Abs. 1, 2 StVG i.V.m. § 115 VVG einzustehen haben, weil die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kfz entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG darstellte. Dies wird von der Berufung auch nicht in Frage gestellt.

2. Mit Erfolg wendet sich die Berufung gegen die vom AG im Rahmen des § 17 Abs. 1, 2 StVG vorgenommene Haftungsverteilung. Entgegen der Auffassung des AG trifft die Bekl. eine überwiegende Haftung, weil die Bekl. zu 2) den Unfall allein verschuldet hat.

a) Die Bekl. zu 2) hat gegen ihre Wartepflicht aus § 8 Abs. 2 StVO verstoßen.

aa) Auf einer privaten Verkehrsfläche, die – wie hier – dem öffentlichen Verkehr dient, findet die Vorfahrtsregel “rechts vor links’ des § 8 Abs. 1 StVO Anwendung, sofern nach der tatsächlichen Situation im Einmündungsbereich zwei Straßen aufeinander treffen (vgl. OLG Celle, OLG-Report 2006,705 = BeckRS 2006, 10609; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.6.2010 – 1 U 240/09, BeckRS 2011, 07368; OLG Frankfurt a.M. zfs 2010, 19 = BeckRS 2010, 01841; OLG Hamm SP 2001, 229; Kammer, Urt. v. 3.2.2006 – 13A S 36/05; Urt. v. 8.6.2012 – 13 S 33/12 und Urt. v. 12.10.2012 – 13 S 77/12, BeckRS 2013, 08943 jeweils m.w.N.). Das ist hier der Fall. Der Bereich, in dem der Umgehungsweg und die Fahrgasse, aus der die Bekl. zu 2) herausgefahren ist, aufeinander treffen, sind gleichermaßen ausgebaut, wie nicht zuletzt die in der Akte befindlichen Lichtbilder belegen. Die aufeinander treffenden Fahrspuren sind dort insb. einheitlich und durchgängig in einer für Straßen üblichen Breite geteert, mit Richtungspfeilen markiert und die Randsteine sind entsprechend der Richtung des einmündenden Bereichs verlegt. Anders als die Berufung meint, bieten sich keine objektiven Hinweise dafür, dass es sich bei der Fahrgasse, aus der die Bekl. zu 2) herausgefahren ist, um eine (untergeordnete) Aus- bzw. Zufahrt von bzw. zu einer Fläche i.S.d. § 10 S. 1 StVO handeln könnte (vgl. Kammer NJW-RR 2011, 1247 = NZV 2011, 541). Es liegt vielmehr – anders als in dem von dem Kl. zitierten Urteil des OLG Naumburg (OLG-Report 2007, 394) – aus jeder Fahrtrichtung betrachtet eine Einmündung zweier Straßen vor, die Teil eines durchgehenden Wegenetzes auf einem straßenbaulich einheitlich gestalteten Parkplatzgelände sind, und in deren Bereich – mangels ausdrücklicher Regelung – rechts vor links gilt. Auf die Breite der jeweils benutzten Straße kommt es dabei nicht an. Die Regelung, dass an Kreuzungen und Einmündungen die Vorfahrt derjenige hat, der von rechts kommt, wird nämlich auch auf Parkplätzen nicht dadurch eingeschränkt, weil die einmündende oder kreuzende Straße schmaler ist (vgl. OLG ...

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