" … Die Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB, § 115 Abs. Nr. 1 VVG, § 1 PflVG auf Erstattung der Unfallschäden aus dem Verkehrsunfall v. 21.5.2012 i.H.v. 10.034,32 EUR."

Der Unfall ereignete sich beim Betrieb der der Kl. und dem Bekl. zu 1) als Halter zuzuordnenden Fahrzeuge; die Bekl. zu 2) ist Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs des Bekl. zu 1). Sind an dem die Haftung begründenden Unfallereignis mehrere Kfz beteiligt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz des dem jeweiligen Fahrzeughalter entstandenen Schadens sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes nach § 17 Abs. 1, 2 StVG von den Umständen, insb. davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht und verschuldet worden ist. Bei der Abwägung sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die nachgewiesen ursächlich für den Schaden geworden sind.

Die hiernach vorzunehmende Abwägung führt zu einer Alleinhaftung der Bekl. Der ihnen zuzuordnende Verursachungs- und Verschuldensanteil überwiegt so deutlich, dass die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Kl. hierhinter vollständig zurücktritt.

Der Bekl. zu 1) beging einen schwer zu gewichtenden Verkehrsverstoß nach § 9 Abs. 5 StVO, indem er nach links in das Grundstück H-straße 4 abbog, ohne das ihm entgegenkommende Fahrzeug der Kl. durchfahren zu lassen. Der Sorgfaltspflichtverstoß und dessen Verschulden ergeben sich dabei aus einem Anscheinsbeweis. Der Kollisionsort befindet sich im Bereich der Gegenfahrbahn des Bekl. zu 1). Kommt es bei einem Linksabbiegevorgang in ein Grundstück zu einem Zusammenprall mit dem Gegenverkehr auf der Gegenfahrbahn, so ist typischerweise anzunehmen, dass ein Verstoß gegen die Wartepflicht des § 9 Abs. 5 StVO zum Unfall führte.

Die Bekl. konnten den Anscheinsbeweis nicht erschüttern. Die ernsthafte Möglichkeit einer abweichenden Unfallverursachung ergibt sich nicht aus einer überhöhten Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs und entsprechender Vermeidbarkeit des Unfallgeschehens, denn die Bekl. konnten eine Unfallvermeidbarkeit nicht nachweisen. Der Bekl. zu 1) hat im Rahmen seiner Anhörung angegeben, zirka 30–40 Sekunden am linken Rand seiner Fahrspur in Höhe der Grundstückseinfahrt gewartet zu haben, bevor er angefahren und unmittelbar abgebogen sei. Nachdem er zirka einen halben Meter gefahren sei, habe er das klägerische Fahrzeug gesehen, gebremst und im gleichen Moment sei es zur Kollision gekommen. Auch den Lichtbildern mit den Unfallendstellungen auf Blatt 5 der beigezogenen Verkehrsunfallakte ist zu entnehmen, dass der Bekl. zu 1), dessen Fahrzeug im vorderen Bereich getroffen wurde, zirka 1 m gefahren ist, bevor es zur Kollision kam. Da der Bekl. zu 1) zudem angegeben hat, “normal’ angefahren zu sein, ist von einer normalen Anfahrbeschleunigung eines Pkw von 2 m/s² auszugehen. Nach alledem fand die Kollision zirka 1 Sekunde nach dem Anfahren des Bekl. zu 1) statt. Berücksichtigt man weiter, dass erst durch das Anfahren des Bekl. zu 1) eine Reaktionsaufforderung für den Zeugen S bestand und grds. von einer Reaktionszeit von 1 Sekunde auszugehen ist, ist festzustellen dass der Unfall für den zeugen S auch bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h nicht vermeidbar gewesen wäre. Auch bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h hätte der Zeuge S das klägerische Fahrzeug in einer so kurzen Zeitspanne angesichts eines Anhaltewegs von zirka 27 m nicht rechtzeitig zum Stehen bringen können.

Einen Verkehrsverstoß des Zeugen S, der die zurücktretende einfache Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs erhöhte, konnten die Bekl. darüber hinaus nicht nachweisen. Das klägerische Fahrzeug hat sich der Unfallstelle zum einen nicht mit einer unfallkausalen, überhöhten Geschwindigkeit angenähert. Diesbezüglich kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Die Bekl. konnte zum anderen auch keinen unfallkausalen Rotlichtverstoß des Zeugen S nachweisen. Es handelt sich vorliegend nicht um ein Abbiegen im Kreuzungsbereich. Vielmehr bog der Bekl. zu 1) in ein Grundstück ein, dessen Einfahrt sich mindestens 20 m vor dem Kreuzungsbereich befindet. Der abbiegende Bekl. zu 1) war damit nicht in den Schutzbereich der Lichtzeichenanlage einbezogen. Da der Bekl. zu 1) zudem jederzeit mit aus dem Kreuzungsbereich einbiegendem und ihm dadurch entgegenkommenden Verkehr rechnen musste, durfte er – auch bei unterstelltem Rotlicht – nicht auf ausbleibenden Gegenverkehr vertrauen. Nach der Rspr. des BGH ist im Übrigen die Ursächlichkeit eines verkehrswidrigen Verhaltens für einen Verkehrsunfall für den Zeitpunkt zu untersuchen, in dem der Kraftfahrer verpflichtet gewesen wäre, Maßnahmen zur Abwendung der den Unfall unmittelbar herbeiführenden Gefahren zu treffen (BGH, Urt. v. 11.1.1977 – VI ZR 268/74, zit. nach juris). Danach würde ein – für diese Überlegung zu unterstellender – Rotlichtverstoß nicht für einen rechtlichen Ursachenzusammenhang mit dem nachfolgenden Unfall genügen. Ein rechtlicher Zusammenhang kann nicht be...

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