Hinweis

Meinem Mandanten kann nicht vorgeworfen werden, er habe vorsätzlich gehandelt.

Zwar liegt die bei ihm gemessene BAK bei über 1,1 ‰. Es gibt aber keinen naturwissenschaftlich oder medizinisch gesicherten Erfahrungssatz, dass derjenige, der eine Alkoholmenge trinkt, die zu einer die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit übersteigenden Blutalkoholkonzentration führt, seine Fahruntüchtigkeit auch erkennt (BGH NJW 2015, 1834). Vielmehr bedarf es das Hinzutreten weiterer Umstände, die auf ein vorsätzliches Handeln schließen lassen (OLG Stuttgart NZV 2011, 412).

Solche Umstände sind hier nicht gegeben.

Aus der Ermittlungsakte ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass mein Mandant durch eine besonders vorsichtige Fahrweise auffällig geworden ist. Er war auch nicht auf Schleichwegen gefahren. Hinzu kommt, dass er bislang nicht einschlägig in Erscheinung getreten ist. Auch das Blutentnahmeprotokoll spricht eher gegen ein vorsätzliches Handeln. Denn es enthält die Feststellung, dass mein Mandant "äußerlich lediglich leicht unter Alkoholeinfluss" stand.

Nach alle dem kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass mein Mandant vorsätzlich gehandelt hat.

 

Erläuterungen:

Ob im Rahmen einer Tat gem. § 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB bzw. einer Tat gem. § 316 StGB vorsätzlich oder lediglich fahrlässig gehandelt worden ist, ist in vielerlei Hinsicht von Bedeutung. Im Bereich des Strafrechts hängt hiervon die Höhe der zu verhängenden Strafe ab. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Dauer der Entziehung der Fahrerlaubnis. Im versicherungsrechtlichen Bereich wirkt sich die Begehungsweise darauf aus, ob der Rechtsschutzversicherer des Mandanten überhaupt für die Verfahrenskosten einschließlich der Rechtsanwaltsgebühren aufkommen muss. War die Tat vorsätzlich begangen worden, ist der Rechtsschutzversicherer leistungsfrei. Für den Mandanten lohnt es sich daher, sich dafür einzusetzen, dass seine Verurteilung nur wegen einer fahrlässigen Tat erfolgt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das zum Erreichen dieses Ziels vorgebrachte Verteidigungsvorbringen auch fahrerlaubnisrechtliche Konsequenzen haben kann. Denn liegen bei dem Mandanten nur geringe oder keine Ausfallerscheinungen trotz hoher BAK vor, kann die Fahrerlaubnisbehörde hieraus schließen, dass eine Alkoholproblematik vorliegt, die wiederum zu weiteren Maßnahmen führen kann.

Zunächst ist aber Voraussetzung für eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr, dass der Fahrzeugführer seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und sich damit abfindet. Maßgeblich ist, ob der Fahrzeugführer eine so gravierende Beeinträchtigung seiner Leistungsfähigkeit zumindest für möglich hält und sich mit ihr abfindet oder billigend in Kauf nimmt, dass er den im Verkehr zu stellenden Anforderungen nicht mehr genügt (BGH NJW 2015, 1834). Überschreitet die Blutalkoholkonzentration des Fahrzeugführers die Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit, stellt dies einerseits ein gewichtiges Beweisanzeichen für das Vorliegen vorsätzlichen Handelns dar. Auf der anderen Seite müssen aber absolute Grenzwerte vom Vorsatz nicht umfasst sein. Denn sie sind keine Tatbestandsmerkmale, sondern Beweisregeln. Der Erfahrungssatz spricht daher zwar für vorsätzliches Handeln, wenn dem Fahrzeugführer eine hohe Blutalkoholkonzentration nachgewiesen worden ist. Denn er weiß im Allgemeinen, dass er große Mengen Alkohol getrunken hat, weshalb sich ihm die Möglichkeit einer Fahruntüchtigkeit aufdrängt. Dies führt aber nicht zwingend zu der Annahme des bedingten Vorsatzes. Liegt die Aufnahme großer Mengen Alkohol länger zurück oder hat ein Konsum von Mixgetränken mit unbekanntem Alkoholanteil vorgelegen, kann der Vorwurf bedingt vorsätzlichen Handelns als entkräftet angesehen werden (BGH NZV 1991, 117).

Autor: Martin Diebold

RA Martin Diebold, FA für Verkehrsrecht, Tübingen

zfs 2/2018, S. 63

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