Nach Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechte-Verordnung können "außergewöhnliche Umstände" das Luftfahrtunternehmen ggf. von seiner Ausgleichspflicht befreien, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.[32] Der EuGH hatte in diesem Zusammenhang nun über folgenden Fall zu entscheiden: Gebucht worden war ein von KLM durchgeführter Flug von Quito (Ecuador) nach Amsterdam. Zwei Bauteile des Flugzeugs (Kraftstoffpumpe und hydromechanische Einheit) erwiesen sich vor dem Start in Quito als defekt, obwohl die durchschnittliche Lebensdauer der Teile noch nicht überschritten war und auch der Hersteller keine Mängelwarnungen ausgesprochen hatte. Die beiden in Ecuador nicht verfügbaren Ersatzteile mussten aus Amsterdam geliefert und danach noch in das Flugzeug eingebaut werden. Letztlich landete das Flugzeug erst mit einer Verspätung von 29 Stunden in Amsterdam. KLM versuchte, sich in dem Fall auf "außergewöhnliche Umstände" zu berufen und verweigerte daher die Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Fluggastrechte-Verordnung. In seinem dazu ergangenen Urteil vom 17.9.2015[33] differenziert der EuGH zwischen entlastenden "außergewöhnlichen Umständen" und bloßen "unerwarteten Vorkommnissen". Zwar können technische Probleme tatsächlich zu den außergewöhnlichen Umständen zählen. Dies setzt jedoch voraus, dass sie ein Vorkommnis betreffen, das nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens ist und aufgrund seiner Natur oder Ursache von ihm nicht zu beherrschen ist. Als konkrete Beispiele für außergewöhnliche Umstände nennt der EuGH versteckte, die Flugsicherheit beeinträchtigende Fabrikationsfehler sowie durch Sabotageakte oder durch terroristische Handlungen verursachte Schäden an den Flugzeugen. Andere (schlichte) technische Probleme gehören jedoch unausweichlich zum gewöhnlichen Betrieb von Flugzeugen. Zeigen sich vorzeitige Mängel erst bei der Wartung von Flugzeugen (oder treten sie gar infolge unterbliebener Wartung auf), so stellen sie zwar ein unerwartetes Vorkommnis, aber gerade keine "außergewöhnlichen Umstände" dar. Das Luftfahrtunternehmen hat auch für solche Vorkommnisse Vorsorge zu treffen und den reibungslosen Betrieb sicherzustellen (zu denken ist beispielsweise an einen weltweit gestreuten Ersatzteillagerbestand oder an kurzfristige Umbuchung der betroffenen Fluggäste). Der EuGH begründet auch dieses Urteil unter anderem mit dem durch die Fluggastrechte-Verordnung angestrebten hohen Schutzniveau für Fluggäste.[34] Wie schon in früheren Entscheidungen[35] weist der EuGH darauf hin, dass es dem Luftfahrtunternehmen unbenommen bleibt, bei anderen Schadensverursachern (hier z.B. beim Hersteller bestimmter defekter Teile) Regress zu nehmen.
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