Bisher herrschte die Meinung vor, dass ein Fluggast nach erfolgter Kündigung des Luftbeförderungsvertrags bzw. Nichtantritt des Flugs lediglich die Rückzahlung der Steuern[36] und Gebühren (ggf. abzüglich eines Bearbeitungsentgelts) verlangen konnte. Der eigentliche Ticketpreis (meist der größte Teil des Flugpreises) wäre demnach verloren. Nun entschied das LG Frankfurt am Main,[37] dass der Fluggast unter Umständen das gesamte gezahlte Beförderungsentgelt (Ticketpreis, Steuern und Entgelte) in voller Höhe gem. § 649 BGB zurückverlangen kann. Der Fluggast kann den Luftbeförderungsvertrag (Werkvertrag gem. §§ 631 ff. BGB) bis zur Erbringung der Luftbeförderung jederzeit und ohne Angabe von Gründen kündigen, § 649 BGB. Als Rechtsfolge kann der vertragliche Luftfrachtführer zwar die vereinbarte Vergütung verlangen, er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, d.h. im Falle eines gekündigten Luftbeförderungsvertrages die durch anderweitige Buchung erzielten oder böswillig nicht erzielten Erlöse, § 649 S. 2 BGB. Zwar hat grundsätzlich der Fluggast darzulegen und zu beweisen, dass der Luftfrachtführer Aufwendungen erspart bzw. Erlöse durch anderweitige Buchung erzielt hat. Weil der Fluggast jedoch regelmäßig keinen Einblick in die Betriebsinterna des Luftfrachtführers hat, ist dem Luftfrachtführer im Wege der sog. sekundären Darlegungslast zuzumuten, seine ersparten Aufwendungen bzw. anderweitig erzielten Erlöse für den konkreten Fall darzulegen und zu beziffern.

Dieser sekundären Darlegungslast wird das Luftfahrtunternehmen in den wenigsten Fällen gerecht werden.

Entsprechende Rückforderungsansprüche können unabhängig vom Sitz des Luftfahrtunternehmens auch am Ziel- oder Abflugort eingeklagt werden.[38]

Außerdem hat das Kammergericht Berlin[39] im Berichtszeitraum entschieden, dass eine Fluggesellschaft für die Stornierung von Flügen kein Bearbeitungsentgelt verlangen darf. Auch dürfen die im Ticketpreis enthaltenen Steuern und Gebühren nicht zu niedrig ausgewiesen werden.

Autor: RA Marc Flöthmann, FA für Steuerrecht, für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für Verkehrsrecht, Bielefeld[1]

zfs 2/2015, S. 70 - 76

[36] Das Luftverkehrsteuergesetz ist mit dem Grundgesetz vereinbar, BVerfG, Urt. v. 5.11.2014 – 1 BvF 3/11 (Pressemitteilung Nr. 99/2014), BeckRS 2014, 57877 = DÖV 2015, 36.
[37] LG Frankfurt am Main, Urt. v. 6.6.2014 – 2-24 S 152/13, BeckRS 2014, 14178.
[38] LG Frankfurt am Main, Beschluss v. 13.11.2014 – 2-24 T 27/14.
[39] KG, Urt. v. 12.8.2014 – 5 U 2/12, BeckRS 2015, 00282 = OLG Report Ost 43/2014 Anm. 4.
[1] Der Autor ist als Rechtsanwalt insbesondere auf dem Gebiet des Reiserechts tätig (www.floethmann.net) und vertritt sowohl Reisende als auch Reiseunternehmen.

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