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[1] Der Kl. erwarb im August 2016 von der Autohaus S. GmbH einen gebrauchten VW Touran Match mit einem Kilometerstand von rd. 80.000 km zu einem Kaufpreis von 13.600 EUR. Das Fahrzeug ist mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet. Die Bekl. (VW AG) ist Herstellerin des Wagens.

[2] Die im Zusammenhang mit dem Motor verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird, und schaltet in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus 0 in einen Stickoxid-optimierten Abgasrückführungsmodus 1. Es ergeben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Die Grenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Modus 1 eingehalten.

[3] Vor Abschluss des Kaufvertrags, am 22.9.2015, gab die Bekl. eine Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG sowie eine gleichlautende Presseerklärung heraus, die auszugsweise wie folgt lauten:

[4] “Volkswagen treibt die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren mit Hochdruck voran. (…) Anfällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rd. 11 Mio. Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. Volkswagen arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen. Das Unternehmen steht dazu derzeit in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Deutschen Kraftfahrtbundesamt.'

[5] Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wertete die Steuerung als unzulässige Abschalteinrichtung und gab im Oktober 2015 der Bekl. durch nachträgliche Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung auf, die Vorschriftsmäßigkeit der bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge zu gewährleisten. Die Bekl. entwickelte in der Folge u.a. bei Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA189 mit 2,0-Liter-Hubraum ein Software-Update. Das KBA gab die Nachrüstung für den hier betroffenen Fahrzeugtyp frei. Auch für das Fahrzeug des Kl. wurde nach dem Erwerb ein Software-Update aufgespielt.

[6] Mit seiner Klage verlangt der Kl. Schadensersatz in Höhe des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs, ferner Ersatz von Aufwendungen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie die Feststellung, dass sich die Bekl. in Annahmeverzug befindet.

[7] Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hat das OLG zurückgewiesen. Mit der vom BG zugelassenen Revision verfolgt der Kl. sein Klageziel weiter.

[9] II. Die Revision des Kl. ist unbegründet, da ihm keine – hier allein in Betracht kommenden – deliktsrechtlichen Ansprüche gegen die Bekl. zustehen.

[10] 1. Die Auffassung des BG, der Kl. könne den geltend gemachten Schadensersatzanspruch auf Erstattung des Kaufpreises (und weiterer für den Erwerb des Fahrzeugs getätigter Aufwendungen) nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 VO 715/2007/EG herleiten, ist frei von Rechtsfehlern.

[11] a) Der Kl. stützt seinen Schadensersatzanspruch darauf, dass er von der Bekl. zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst worden sei. Wie der Senat in seinem Urt. v. 25.5.2020 (VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179, Rn 76, dazu EWiR 2020, 395 (Schmidt-Kessel/Mölbritz)) ausgeführt hat, liegt das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich des § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV. Es sind auch im vorliegenden Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den genannten Vorschriften (auch) einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckte und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags hätte knüpfen wollen. Anderes ergibt sich nicht aus dem von der Revision angeführten Gesichtspunkt, dass die Übereinstimmungsbescheinigung gem. Erwägungsgrund 0 des Anhang IX der RL 2007/46/EG i.d.F. der VO 385/2009/EG eine Erklärung des Fahrzeugherstellers darstellt, in der dem Fahrzeugkäufer versichert wird, dass das von ihm erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Herstellung mit den in der EU geltenden Rechtsvorschriften übereinstimmt (vgl. Senat ZIP 2020, 1179, Rn 75). Auch wenn der genannte Erwägungsgrund, ebenso wie Erwägungsgrund 3 VO 385/2009/EG, wonach die Angaben auf der Übereinstimmungsbescheinigung für die beteiligten Verbraucher verständlich sein sollen, in persönlicher Hinsicht auch den Fahrzeugkäufer im Blick hat, erfasst sie in sachlicher Hinsicht das hier geltend gemachte Interesse nicht. Eine Einbeziehung dieses Interesses ergibt sich schließlich entgegen der Ansicht der Revision nicht daraus, dass die in Art. 46 RL 2007/46/EG vorgesehenen Sanktionen auch...

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