"… Das streitgegenständliche Schadensereignis bildet einen versicherten Kaskoschaden im Sinne der AKB der Bekl. Am Fahrzeug des Kl. ist durch Tierbiss unmittelbar ein Schaden entstanden (Ziff. A.2.2.7 S. 1 AKB)."

Ein unmittelbarer Tierbissschaden entsteht durch die Substanzbeeinträchtigung, die durch die Krafteinwirkung des sich schließenden Gebisses eines Tieres und die schneidenden, reißenden und mahlenden Kaubewegungen hervorgerufen wird. Der Gutachter hat sachkundig ermittelt, dass im Fall des Fahrzeugs des Kl. Nagetiere (wahrscheinlich Mäuse) derart zugebissen haben, dass sie den Schaden verursacht haben.

Der Bissschaden befindet sich auch “am Fahrzeug' im Sinne der Klausel. Das ortsangebende Schachtelmorphem “am' (als Zusammenziehung der Präposition “an' mit dem Artikel “dem') verweist – unter Berücksichtigung des Auslegungshorizonts eines durchschnittlichen VN – nicht lediglich auf die Außenhülle des Fahrzeugs, sondern auf das Fahrzeug als Sachgesamtheit bzw. einheitliche Sache, denn diese ist Gegenstand des in Ziff. A.1.2.1.1 AKB beschriebenen Sachversicherungsschutzes. Andernfalls liefe der Versicherungsschutz in Anbetracht der in der mitteleuropäischen Fauna vertretenen potentiellen Schadtiere und ihrer Bissgewohnheiten gerade im typischen Anwendungsfall praktisch leer, denn Tierbissschäden, die jeder durchschnittliche VN und auch die Bekl. als vom versprochenen Schutz erfasst sieht, treten vor allem im Motorraum an durchbissenen Kabeln auf, der ebenfalls nicht “am', sondern “im' Fahrzeug liegt. Sämtliche vom Kl. angeführten Schäden befinden sich zudem an grds. versicherten Teilen des Fahrzeugs.

Die Bekl. kann nicht mit Erfolg einwenden, ihre Eintrittspflicht sei ausgeschlossen, weil der Schaden im Innenraum des Fahrzeugs im Sinne der “Innenraumklausel' nach Ziff. A.2.2.7 S. 2 AKB eingetreten sei. Hierunter fallen nur solche Schäden, die sich auf der dem Kofferraum und der Fahrgastzelle zugewandten Seite der Innenraumverkleidung befinden. Dies ist für die streitgegenständlichen Schäden zu verneinen.

Klauseln in der Kfz-Kaskoversicherung sind als AVB so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (…).

Dieser Grundsatz erfährt zwar dann eine Ausnahme, wenn die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet. In diesen Fällen ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die AVB darunter nichts anderes verstehen wollen (…). Diese Ausnahme greift vorliegend jedoch nicht. Es handelt sich bei dem Begriff “Innenraum' weder um einen festen Begriff der Rechtssprache noch um eine den Musterbedingungen des GDV nachgebildete Klausel noch war die spezielle Auslegungsfrage oder eine vergleichbare Bedingung bislang Gegenstand der veröffentlichten Rechtsprechung und juristischen Fachliteratur. Anders als die bedingungsmäßigen Leistungsausschlüsse in der Kfz-Haftpflichtversicherung (vgl. § 4 KfzPflVV) ist die Klausel auch nicht durch eine gesetzliche Regelung vorgeprägt. Der Begriff “Innenraum' erscheint in den Musterbedingungen der Fahrzeugversicherung nur bei der “Teileliste' nach Ziff. A.2.1.2.2 AKB 2015, steht aber dort in anderem Sinnzusammenhang.

Die streitgegenständliche Klausel ist als Risikoausschluss zudem eng auszulegen (…). Mit Risikoausschlussklauseln, durch die bestimmte, an sich in den durch die Versicherungsart gedeckten Gefahrenbereich fallende Gefahren ausgesondert werden, wird von den VR in der Regel der Zweck verfolgt, ein für den VR nicht überschaubares und berechenbares Risiko auszuklammern, um eine vernünftige Prämienkalkulation durchführen zu können. Dabei darf aber der von dem einzelnen VN verfolgte Sicherungszweck nicht außer Acht gelassen werden. Deshalb ist anerkannt, dass Risikoausschlussklauseln nicht weiter ausgedehnt werden dürfen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (…).

Daraus, dass A.2.2.7 S. 2 der AKB an die primäre Risikobeschreibung anknüpft und ein bestimmtes Teilrisiko dieser Risikobeschreibung vom Versicherungsschutz ausnimmt, nämlich den Tierbiss im Fahrzeuginnenraum, folgt, dass es sich bei der “Innenraumklausel' um eine sekundäre Risikoabgrenzung und damit um eine Risikoausschlussklausel handelt, nach der nur ausschnittsweise Deckung nach einer besonderen räumlichen Anknüpfung gewährt wird.

Dabei ist im Hinblick auf den aus der Systematik der Klausel erkennbaren Regelungszweck zu berücksichtigen, dass der VR Deckung gegen alle Tierbissschäden ohne Einschränkung auf bestimmte Tierarten gewährt und damit über dasjenige hinausgeht, was typischerweise im Fall eines “Marderschadens' das Versicherungsversprechen ausmacht. Nach Ziff. A.2.2.7 S. 3 der AKB werden zudem Folgeschäden unabhängig davon ersetzt, ob sie im Innenraum eint...

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