"Das Gericht konnte nach vorheriger Anhörung der Beteiligten (§ 84 Abs. 1 S. 2 VwGO) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gem. § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist."

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Anordnung der Teilnahme am Verkehrsunterricht ist rechtswidrig und verletzt den Kl. in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Anordnung ist § 48 StVO. Danach ist, wer Verkehrsvorschriften nicht beachtet, auf Vorladung der Straßenverkehrsbehörde verpflichtet, an einem Unterricht über das Verhalten im Straßenverkehr teilzunehmen.

Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor, da der Kl. am 15.7.2014 mit einer festgestellten Geschwindigkeit von 84 km/h die innerhalb geschlossener Ortschaften zulässige Höchstgeschwindigkeit um 34 km/h überschritt und damit gegen § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO verstieß.

Das dem Bekl. zustehende und vom Gericht unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung gem. § 114 VwGO zu überprüfende Ermessen hat er jedoch vorliegend fehlerhaft ausgeübt, denn er hat von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.

Zweck der Vorschrift des § 48 StVO ist es, einen Kraftfahrer, der nicht nur geringfügige Lücken in der Kenntnis der Verkehrsregeln zeigt oder deren Bedeutung verkennt oder aus charakterlichen Gründen nicht in der Lage ist, seinen Erkenntnissen gemäß zu handeln, erzieherisch zur Beseitigung der bestehenden Mängel zu beeinflussen (vgl. VG München, Urt. v. 16.5.2012 – M 23 K 12.960, Rn 32, juris).

Bei der Anordnung der Teilnahme an einem Verkehrsunterricht ist das behördliche Ermessen daher fehlerhaft ausgeübt, wenn keine Anhaltspunkte vorhanden und von der Behörde aufgezeigt sind, dass ein entsprechendes Erziehungsbedürfnis bei dem Betr. besteht (vgl. Beschl. der Kammer v. 7.6.2010 – 2 L 86.10; BayVGH, Urt. v. 22.10.1990 – 11 B 90.655, juris).

Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch die Ahndung der Verkehrsverstöße nach den Strafvorschriften oder den Bestimmungen des Ordnungswidrigkeitengesetzes einen erzieherischen Zweck hat. Die erzieherische Wirkung der Strafe oder des Bußgelds muss daher bei der Entscheidung über die Anordnung des Verkehrsunterrichts mitberücksichtigt werden. Besteht kein Anhaltspunkt für das Gegenteil, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass diese Wirkung auf den Betr. ausreicht (vgl. BayVGH, Beschl. v. 28.3.2008 – 11 ZB 06.499, Rn 6, juris). Bei einem “Wiederholungstäter’ besteht regelmäßig Anlass zur gegenteiligen Annahme, weil der Betreffende durch die Wiederholungstat gezeigt hat, dass der Anstoß durch die strafgerichtliche oder behördliche Ahndung seiner Tat nicht ausreichen wird. Auch bei einem “Ersttäter’ können zwar die Umstände der Tatbegehung, das Verhalten nach der Tat oder die Einlassung des Täters zur Tat Anlass zur Anordnung von Verkehrsunterricht sein; jedoch nur, wenn besondere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei dem Betreffenden ein spezielles Erziehungsbedürfnis vorhanden ist (vgl. VG München, Urt. v. 18.1.2012 – M 23 K 09.5977, Rn 23, juris).

Ein solches (spezielles) Erziehungsbedürfnis im letztgenannten Sinne aufgrund besonderer Anhaltspunkte ist bei dem Kl. weder ersichtlich noch wurde es von dem Bekl. aufgezeigt.

Der Kl. ist – soweit bekannt – erstmalig im Straßenverkehr auffällig geworden. Der Kl. war auch von vornherein einsichtig; er hat insb. weder bestritten, dass innerhalb geschlossener Ortschaften gem. § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO die zulässige Höchstgeschwindigkeit 50 km/h beträgt, noch hat er sich dahingehend geäußert, die Vorschrift nicht ernst zu nehmen. Er hat sich nach dem vorliegenden Verwaltungsvorgang auch nicht gegenüber dem Bekl. aus Anlass seiner Tat auf andere Weise renitent gezeigt. Woraus der Bekl. den Schluss zieht, dass im Falle des Kl. noch (verkehrs-)erzieherische Maßnahmen ergriffen werden müssten, ist hier daher nicht nachvollziehbar.

Soweit der Bekl. von einem groben Verkehrsverstoß ausgeht und in diesem Zusammenhang auf die Bewertung der Tat mit zwei Punkten nach dem Fahreignungsregister und das entsprechende Fahrverbot verweist, übersieht er die erzieherische Wirkung, die bereits gerade durch den entsprechend hohen Punktewert der Tat und das Fahrverbot ausgeht. Ein besonderes, über diese erzieherische Wirkung hinausgehendes Erziehungsbedürfnis wird somit von dem Bekl. nicht aufgezeigt.

Soweit der Bekl. dem Kl. die vorsätzliche Tatbegehung unterstellt, gibt es dafür schon keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte. Gem. § 1 Abs. 2 S. 2 BKatV ist bei Taten nach Abschnitt I des Bußgeldkatalogs, zu denen der hier maßgebliche Verstoß gem. der lfd. Nr. 11 zählt, grds. von fahrlässiger Begehung auszugehen. Entsprechend hat die Bußgeldstelle das Bußgeld gemäß dem Regelsatz festgesetzt. Selbst wenn man zu Lasten des Kl. davon ausgehen würde, dass er vorsätzlich gehandelt...

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