Die Ermittlung der Haftungsquote richtet sich nach § 17 StVG. Das Gesetz macht in § 17 StVG die Schadenersatzpflicht im Verhältnis der Parteien zueinander davon abhängig, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder von dem anderen Teil verursacht worden ist. Damit bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass in die Abwägung nur diejenigen Tatbeiträge eingebracht werden dürfen, die sich tatsächlich auf die Schädigung ausgewirkt haben.[2] Die bei der Abwägung maßgeblichen Umstände müssen also feststehen, d.h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein.[3] Das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung.[4]

Der Unfallgegner hat unzweifelhaft die Vorfahrt verletzt, wohingegen der Geschädigte aufgrund der Geschwindigkeitsüberschreitung um 50 km/h ebenfalls einen erheblichen Tatbeitrag geliefert hat. Vorliegend wird im Rahmen der Abwägung von einer Haftungsquote von 50 : 50 ausgegangen.[5]

Dies bedeutet grundsätzlich, dass der Geschädigte aus der Summe sämtlicher unfallkausaler Schadensposten lediglich eine Quote von 50 % erhält. Dieser Grundsatz gilt zumindest nach der Rechtsprechung des BGHs allerdings nicht uneingeschränkt in Bezug auf das Schmerzensgeld. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 12.3.1991[6] im Anschluss an die Entscheidung des BGHs vom 21.4.1970[7] den Orientierungssatz aufgestellt, dass bei der Bemessung der "billigen Entschädigung" nach BGB § 847 Abs. 1 (alt) das Mitverschulden des Verletzten nicht etwa in der Weise zu berücksichtigen ist, dass zunächst ein Schmerzensgeld ermittelt wird, wie es ohne das Mitverschulden des Verletzten angemessen wäre, und sodann eine der Mitverschuldensquote entsprechende Kürzung erfolgt. Vielmehr stellt das Mitverschulden – so der BGH – bei der Festsetzung des Schmerzensgeldes lediglich ein Bemessungselement neben anderen dar, wobei sich die einzelnen Bemessungselemente, je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, unterschiedlich auswirken können; ihre Gewichtung ist wesentliche Sache des Tatrichters.

In zwei neuen Entscheidungen zur Schmerzensgeldbemessung hat der BGH zu den maßgebenden Umständen für die Höhe des Schmerzensgeldes wie folgt Stellung genommen:[8]

"Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgeldes sind im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingten Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei geht es nicht um eine isolierte Schau auf einzelne Umstände des Falles, sondern um eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls. Diese hat der Tatrichter zunächst sämtlich in den Blick zu nehmen, dann die fallprägenden Umstände zu bestimmen und diese im Verhältnis zueinander zu gewichten. Dabei ist in erster Linie die Höhe und das Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen; hier liegt das Schwergewicht. Auf der Grundlage dieser Gesamtbetrachtung ist eine einheitliche Entschädigung für das sich insgesamt darbietende Schadensbild festzusetzten, die sich jedoch nicht streng rechnerisch ermitteln lässt."

Nach diesen Vorgaben des BGHs wird das Schmerzensgeld im Rahmen einer Zusammenschau sämtlicher schmerzensgeldbildender Faktoren festgesetzt, wobei das Mitverschulden lediglich ein Faktor – wenn auch ein gewichtiger – ist, der von Fall zu Fall im Verhältnis zu den anderen Bemessungskriterien unterschiedliches Gewicht besitzen kann.

Dass der immaterielle Schadensposten "Schmerzensgeld" vom BGH differenziert zu sämtlichen anderen materiellen Schadensposten zu behandeln ist, kommt bereits im Beschluss des Großen Senats für Zivilsachen vom 6.7.1955[9] zum Ausdruck. Dort wird ausgeführt, dass der Anspruch auf Schmerzensgeld nach § 847 BGB (a.F.) kein gewöhnlicher Schadensposten ist, bei dem seinem Inhalt nach eine Naturalrestitution letztlich möglich ist, sondern ein Anspruch eigener Art mit einer doppelten Funktion: Er soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind, und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet für das, was er ihm angetan hat. Dabei hat die Rücksicht auf Höhe und Maß der Lebensbeeinträchtigung (Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen) durchaus im Vordergrund zu stehen, während das Rangverhältnis der übrigen Umstände den Besonderheiten des Einzelfalls zu entnehmen ist. Dieser Auffassung liegt letztlich zugrunde, dass der Schädiger im Rahmen der Billigkeit nicht die Quote eines angemessenen Schmerzensgeldes schuldet, sondern ein Schmerzensgeld, das unter Berücksichtigung des Mitverschuldens angemessen ist.

In der Praxis sieht die Schmerzensgeldbildung somit wie folgt aus:[10] Zunächst orientiert man sich, insbesondere um auch dem Gleichheitssatz zu genügen, an veröffentlichten Entscheidungen mit gleichem oder ähnlichem Verletzungsbild. Nach dieser Grobsondierung kommt das Feintuning, um dem zu entscheidenden Einzelfall gerecht z...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge