DSGVO Art. 15 Abs. 1, Abs. 3 Art. 82; BGB § 259 § 260

Leitsatz

1. Auch in Ansehung der Tatsache, dass es nach der Rechtsprechung des EuGH keinen sog. "Bagatellvorbehalt" und keine "Erheblichkeitsschwelle" bei Art. 82 Abs. 1 DS-GVO gibt, bedeutet dies nicht, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DS-GVO betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt haben soll, vollständig vom Nachweis befreit wäre, dass überhaupt solche Folgen bei ihr vorliegen und einen immateriellen Schaden i.S.v. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO darstellen.

2. Die Voraussetzungen, die Vollständigkeit und Richtigkeit einer – scheibchenweise – erteilten Datenauskunft gem. §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB an Eides statt durch den Vorstand einer Versicherungsgesellschaft versichern zu lassen, liegen nicht vor, wenn die Datenauskunftsklage in der Hauptsache für erledigt erklärt wird und nicht ersichtlich ist, welche weiteren Daten noch nicht beauskunftet worden sein sollen.

3. Soweit der Kl. die erteilte Datenauskunft für unvollständig erachtet, berührt dies die Erfüllung des Auskunftsanspruchs und darf die Datenauskunftsklage nicht für erledigt erklärt werden, um hiernach eine eidesstattliche Versicherung über deren Vollständigkeit und Richtigkeit abzuverlangen. Vielmehr ist der Rechtsstreit über die aus Kl.sicht noch nicht beauskunfteten Datenbestände fortzusetzen.

4. Ein Datenauskunftsklageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO entsprechend auf Erteilung einer vollständigen Auskunft über die der verantwortlichen Stelle verarbeiteten personenbezogenen Daten des Betroffenen gerichtet ist; eine Spezifizierung dieser Daten ist grundsätzlich nicht erforderlich.

5. Auch wenn personenbezogene Daten in Bilddateien gespeichert werden, die einer Texterkennung nicht zugänglich sind, ändert dies bei Daten einer Versicherungsgesellschaft schon wegen ihrer personen- bzw. schadensfallbezogenen Ablagesystematik der dabei genutzten elektronischen Veraktung nichts daran, dass dabei eine automatisierte Verarbeitung personenbezogenen Daten in einem Datensystem i.S.v. Art. 4 Nr. 6 DS-GVO stattfindet. Diese Betrachtung gebietet auch der Grundsatz der Technologieneutralität aus Erwägungsgrund 15.

OLG Köln, Urt. v. 10.8.2023 – 15 U 78/22

1 Sachverhalt

Die Parteien, des Kl. als Mandant eines insolventen Rechtsanwalts und die Bekl. als dessen Haftpflichtversicherer streiten – um Ansprüche im Zusammenhang mit einer Auskunftserteilung nach Art. 15 Abs. 1, 3 DSGVO. Der Kl. hat die Verurteilung der Bekl. zur Erteilung einer Datenauskunft durch Überlassung einer Kopie und zur Zahlung eines angemessenen "Schmerzensgeldes" wegen unvollständiger Datenauskunftserteilung begehrt. Nachdem die Beklagte Auskünfte erteilt und die Parteien den Auskunftsanspruch teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat der Kl. nach Erteilung weiterer Auskünfte den zuletzt gestellten Auskunftsantrag schließlich einseitig für erledigt erklärt. Ferner hat er die Verurteilung der Bekl. zur eidesstattlichen Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer über den Kl. zu den Jahren 2016 – 2021 erteilten Auskünfte begehrt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

2 Aus den Gründen:

2. Die Berufung des Kl. ist jedoch in der Sache unbegründet und allein die erstinstanzliche Kostengrundentscheidung zu korrigieren:

a) Ansprüche des Kl. aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO bestehen nicht. Zwar hat der Senat entschieden, dass Verstöße gegen Auskunftspflichten aus Art. 15 DSGVO Grundlage für einen Ersatzanspruch gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO sein können (Senat NJW-RR 2023, 564 Rn 14). Das LG hat aber zutreffend ausgeführt, dass im Streitfall – anders als in dem Fall, der dem angesprochenen Senatsurteil zugrunde lag – gerade kein immaterieller Schaden des Kl. erkennbar ist. …

Auch in Ansehung der Tatsache, dass es nach der zwischenzeitlich vorliegenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes keinen sog. "Bagatellvorbehalt" und keine "Erheblichkeitsschwelle" bei Art. 82 Abs. 1 DSGVO gibt, bedeutet dies gerade nicht, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt haben soll, vollständig vom Nachweis befreit wäre, dass überhaupt solche Folgen bei ihr vorliegen und einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 dieser Verordnung darstellen (EuGH GRUR-RS 2023, 8972 Rn 50 …). Mit Blick auf den Kl. ist dazu bis zuletzt aber nichts ersichtlich. Anders als in dem vom Senat (NJW-RR 2023, 564) entschiedenen Fall ist insbesondere keine den Kl. belastende Unsicherheit über den Fortgang eines anderen, für ihn wichtigen gerichtlichen Verfahrens entstanden. Denn der Haftpflichtprozess war – die Handakten waren bereits lange bekannt – ohne weiteres auch ohne die weitere Auskunftserteilung durch die Beklagte als bloßem Haftpflichtversicherer des Schädigers ohne weiteres schon lange problemlos führbar. Die im Regressprozess gegen den VN der Bekl. vom Kl. eingereichte Klageschrift datiert vom 31.12.2017 und das Auskunftsverlangen wurde erst am 20.6.2020 kurz ...

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