[9] II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für die Beschaffung eines neuen Fahrzeugs begründet und die Entscheidung des Landgerichts insoweit abzuändern. Die weitergehende Berufung bzgl. der Rechtsverfolgungskosten ist – soweit sie im Zusammenhang mit den bereits rechtskräftig zugesprochenen bzw. erstatteten Schadenspositionen stehen – unbegründet.

[10] 1. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht nach dem rechtskräftigen Grund- und Teilurteil des Landgerichts fest. Soweit im Berufungsverfahren noch ein Anspruch auf Zahlung von 18.990 EUR für die Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges aus §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, § 823 BGB i.V.m. § 115 VVG, § 1 PflVersG im Streit steht, besteht dieser nicht.

[11] Nach § 843 Abs. 1 BGB sind vermehrte Bedürfnisse eines Unfallgeschädigten, die auf Dauer, d.h. auch noch über die Beendigung medizinisch möglicher Heilbehandlung hinaus bestehen, grundsätzlich durch Zahlung einer Rente abzugelten. Unter den Begriff "Vermehrung der Bedürfnisse" werden alle unfallbedingten ständigen, demnach immer wiederkehrenden Aufwendungen gefasst, die den Zweck haben, diejenigen Nachteile auszugleichen, die dem Verletzten infolge dauernder Beeinträchtigung seines körperlichen Wohlbefindens entstehen (BGH, Urt. v. 19.5.1981 – VI ZR 108/79, Rn 8, juris). Der Anspruch ist in der Regel auf die Rentenzahlung ausgerichtet und verlangt für die Möglichkeit, eine Kapitalabfindung zu fordern, einen wichtigen Grund. Zur Abgeltung vermehrter Bedürfnisse in besonders gelagerten Fällen kommt ferner ein nach §§ 249, 251 BGB durchzuführender Schadensausgleich in Betracht, wenn durch die einmalige Anschaffung eines Hilfsmittels für den Behinderten dessen erhöhtes Bedürfnis für die Zukunft in ausreichendem Maße befriedigt werden kann (BGH, a.a.O., Rn 9, juris). Insoweit kommt auch ein Anspruch auf Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs in Betracht, wenn es erforderlich und geeignet ist, unfallbedingt entstandene vermehrte Bedürfnisse des Geschädigten zu befriedigen (BGH, Urt. v. 20.1.2004 – VI ZR 46/03, Rn 5; BGH, Urt. v. 30.6.1970 – VI ZR 5/69, Rn 14; OLG Nürnberg, Urt. v. 23.12.2015 – 12 U 1263/14, Rn 95, juris).

[12] Der gemeinsame Ausgangspunkt der Beurteilung ist damit, dass es sich grundsätzlich um Mehraufwendungen handeln muss, die dauernd und regelmäßig erforderlich sind, die zudem nicht – wie etwa Heilungskosten – der Wiederherstellung der Gesundheit dienen und die im Vergleich zu einem gesunden Menschen erwachsen und sich daher von den allgemeinen Lebenshaltungskosten unterscheiden, welche in gleicher Weise vor und nach einem Unfall anfallen (BGH, a.a.O., Rn 4, juris). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

[13] Zunächst hat zwar der Ehemann der Klägerin zeugenschaftlich glaubhaft bekundet, dass das vorhandene Fahrzeug Pkw 2 wegen der Sitzhöhe einerseits und den unfallbedingten gesundheitlichen Problemen der Klägerin mit dem Einstieg andererseits nicht mehr als Transportmittel geeignet gewesen sei. Dies hat auch die Klägerin persönlich noch einmal vor dem Senat dargestellt. Allerdings beziehen sich die Schilderungen – der Fahrzeugerwerb hat bereits am 4.5.2016, die Veräußerung des Pkw 2 am 3.5.2016 stattgefunden – auf einen Zeitpunkt der akuten Phase der gesundheitlichen Beeinträchtigungen und frühen Heilungsphase. So war die Klägerin aufgrund der Operationen im Anschluss an die bis zum 18.4.2016 dauernde stationäre Behandlung vollständig pflegebedürftig und sogar auf ein Pflegebett angewiesen. Eine spürbare Besserung des Zustandes stellte sich nach ihrem Vortrag erst nach Monaten ein; den Haushalt hat allein der Ehemann übernommen. Sie kann daher zum Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs nicht in der Lage gewesen sein, selbst ein Fahrzeug zu führen. Die von der Klägerin und vom Zeugen geschilderten Beeinträchtigungen wie schmerzbedingte Schwierigkeiten beim Schalten und Kuppeln können daher kein Anlass für den Fahrzeugerwerb gewesen sein. Allenfalls der schwierige Einstieg in das Kleinfahrzeug kann eine Rolle gespielt haben. Da der Klägerin zu diesem Zeitpunkt für die erforderlichen Fahrten zu den Behandlungen sowohl der Krankentransport als auch der Pkw 3 des Schwagers und der Firmenwagen des Ehemannes zur Verfügung standen, besteht hier bereits kein Anhalt für "vermehrte Bedürfnisse", jedenfalls nicht für die Annahme von dauerhaft erforderlichen Maßnahmen.

[14] Dem schloss sich vom XX.6.2016 bis zum XX.7.2016 eine stationäre Rehabilitation an. Dort konnte bereits trotz fortbestehender Schmerzen eine Verbesserung des Gesundheitszustandes und eine Verbesserung der Fähigkeiten hinsichtlich alltagsrelevanter Aktivitäten und der Teilhabe erreicht werden. Insbesondere das Bein links wies keine erheblichen Einschränkungen auf. Die Arbeitsunfähigkeit bestand fort. Mithin erforderte auch hier der Gesundheitszustand der Klägerin keine Fahrten zur Teilhabe insbesondere am Arbeitsleben. Diese erfolgte erst im Juni 2017 im Anschluss an eine Tätigkeit ab Mai 2017 im Hamburger Mode...

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