Bei der merkantilen Wertminderung handelt es sich um eine Minderung des Verkaufswerts, die trotz völliger oder ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeugs allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil potenzieller Käufer eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge besteht.[2] Nach allgemeiner Auffassung ist ein Käufer über die Unfalleigenschaft eines Kraftfahrzeugs aufzuklären. Dies schon deshalb, weil nach der Rechtsprechung des BGH auch bei einem fachgerecht reparierten Unfallschaden ein entsprechendes Fahrzeug nicht mehr die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB erwarten kann.[3] Dies führt in der Praxis dazu, dass bei zwei gleich ausgestatteten Fahrzeugen das unfallbeschädigte Fahrzeug nur dann "vergleichbar" veräußert werden kann, wenn der Verkäufer hier einen Nachlass gewährt. Obwohl das Kraftfahrzeug technisch durch eine einwandfreie Reparatur instandgesetzt wurde, verbleibt der "Makel" des Unfallfahrzeugs, der sich darauf gründet, dass die Reparatur gegebenenfalls nicht sachgerecht erfolgt ist und verborgene technische Mängel nicht ausgeschlossen sind.[4] Dieser Makel drückt sich im merkantilen Minderwert aus, der regelmäßig durch Sachverständige ermittelt wird. Nun entsteht in der Praxis häufig Streit über eine tatsächlich eingetretene Wertminderung bzw. über die angemessene Höhe der eingetretenen merkantilen Wertminderung. Dieser Streit hat sich noch verschärft, seit der BGH mit Urt. v. 23.11.2004[5] ausgeführt hat, dass auch bei älteren Fahrzeugen, selbst bei Laufleistungen von mehr als 100.000 km, die Anerkennung einer merkantilen Wertminderung durchaus in Betracht kommt.

Viele von den Versicherungen beauftragte Sachverständige kalkulieren aber keine merkantile Wertminderung, wenn die Fahrzeuge älter als fünf Jahre sind oder Laufleistungen von mehr als 100.000 km aufweisen.

In Abrechnungsschreiben von Versicherungen liest man im Übrigen immer wieder, dass eine merkantile Wertminderung nicht in Betracht komme, weil keine tragenden Teile beschädigt worden seien bzw. nur abschraubbare Teile erneuert wurden. Diese Sichtweise verkennt bereits, dass es sich nicht um die Frage einer technischen, sondern merkantilen Wertminderung handelt.

Besteht nun Streit über den Anfall bzw. die Höhe einer merkantilen Wertminderung, so ist diese Streitfrage idealerweise im selbstständigen Beweisverfahren zu klären mit folgendem Antrag:

"Ist an dem Kraftfahrzeug des Antragstellers, Kennzeichen … , Fahrgestellnummer … , anlässlich des Unfallereignisses vom … eine merkantile Wertminderung in Höhe von EUR … eingetreten? Hierbei ist auszugehen von einer Laufleistung zum Unfallzeitpunkt von … km und einer Erstzulassung am … sowie ermittelten Reparaturkosten in Höhe von EUR … ? Sollte der Sachverständige zu einem anderen Wertminderungsbetrag gelangen, so wird der Sachverständige um Mitteilung gebeten, in welcher Höhe sich nach seiner Einschätzung vorliegend eine merkantile Wertminderung ergibt."

Aufgrund der gestellten Beweisfrage wird das Gericht einen Kfz-Sachverständigen mit der Wertermittlung beauftragen.

Die Praxis zeigt, dass gerade bei der Wertminderung das Ziel der Entlastung der Gerichte in ganz besonderem Maße erreicht wird. Das selbstständige Beweisverfahren zur Ermittlung der merkantilen Wertminderung ist das bei weitem häufigste Verfahren, welches der Verfasser durchführt. Viele Fälle gelangen nicht einmal zur Begutachtung, weil der Versicherer entweder den streitigen Wertminderungsbetrag vollumfänglich nachreguliert oder aber sinnvolle Angebote zur einvernehmlichen Gesamterledigung unterbreitet.

[2] Vgl. Wellner, BGH-Rechtsprechung zum Kfz-Schaden, 1. Auflage 2012, § 6 Rn 13.
[3] Vgl. BGH, NJW 2008, 53, Andreae/Himmelreich/Teigelack, Autokaufrecht, 4. Auflage, Rn 207 zu 14.
[4] Vgl. Wellner, a.o.O., § 6 Rn 13.

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