"… 1. Das LG hat nach Durchführung der Beweisaufnahme die gesamtschuldnerische Haftung der Bekl. zu 1 gem. § 18 Abs. 1 StVG und der Bekl. zu 2 gem. § 1 PflVG, § 115 VVG für die beim Verkehrsunfall vom 26.3.2015 in S. verursachten Schäden zu 100 v.H. mit Recht bejaht."

a) Die Ersatzpflicht der Bekl. ist vorliegend nicht gem. § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, weil der Unfall offenkundig nicht durch höhere Gewalt verursacht worden ist. Ebenso wenig ist die Verpflichtung zum Ersatz durch § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen, unter denen der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden ist, sich nicht feststellen lassen. Darüber hinaus ist auch der für den Ausschluss der Ersatzpflicht der Bekl. zu 1 nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVG erforderliche Nachweis, dass der Schaden nicht durch ein Verschulden des Fahrzeugführers verursacht worden ist, nicht geführt. Die gesetzliche Verschuldensvermutung nach § 18 Abs. 1 S. 1 StVG kann insb. widerlegt sein, wenn der Unfall auf einem technischen Fehler (z.B. geplatzter Reifen, Versagen der Bremsen) beruht; es ist dann aber Sache des Fahrers, den Nachweis zu führen, dass er deshalb schuldlos die Kontrolle über das Kfz verloren hat (Heß, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl., § 18 StVG Rn 8). Ein technischer Fehler kommt hier nicht in Betracht. Die Verschuldensvermutung ist ferner widerlegt, wenn der Fahrzeugführer nachweist, dass er sich verkehrsrichtig verhalten hat (OLG Hamm NZV 1998, 463). Auch das ist entsprechend den nachfolgenden Ausführungen nicht der Fall.

b) Da die Kl. als Halterin eines ebenfalls unfallbeteiligten Kfz, der Drittwiderbekl. zu 1 als Fahrer und die Drittwiderbekl. zu 2 als Haftpflichtversicherer ihrerseits grds. gem. §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 1 PflVG, § 115 VVG haften und auch insoweit weder § 7 Abs. 2 StVG noch § 17 Abs. 3 StVG eingreift, hängt gem. § 17 Abs. 1 StVG die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insb. davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen sind bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, d.h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben (BGH NJW 2007, 506, 507 Rn 18; NJW 2012, 1953, 1954 Rn 5; Senat OLGR 2009, 394, 396; NJW-RR 2017, 350, 351 Rn 37).

c) Das LG ist von diesen anerkannten Rechtsgrundsätzen ausgegangen und hat zutreffend berücksichtigt, dass die Bekl. zu 1 unfallursächlich und schuldhaft gegen § 1 Abs. 2 StVO verstieß, indem sie beim Linksabbiegen von der vorfahrtsberechtigten Straße in die einmündende Straße nicht, wie geboten, die Mitte der Trichterbreite rechts umfuhr, sondern die Kurve schnitt und auf die linke Fahrbahn geriet. Hingegen fällt dem Drittwiderbekl. zu 1 weder ein Verstoß gegen die Wartepflicht (§ 8 Abs. 1 StVO), das Rücksichtnahmegebot (§ 1 Abs. 2 StVO) oder das Rechtsfahrgebot (§ 2 Abs. 2 StVO) zur Last. Gegenüber dem grob verkehrswidrigen Verhalten der Bekl. zu 1 tritt die einfache Betriebsgefahr des Pkw der Kl. zurück.

2. Die gegen die Haftungsabwägung des LG geführten Berufungsangriffe haben keinen Erfolg.

a) Die Berufung rügt, das LG habe verkannt, dass sich das von dem Drittwiderbekl. zu 1 geführte Kl.-Fahrzeug bereits in dem Einmündungsbereich befunden habe. Dieser sei nämlich aufgrund der trichterförmigen Einmündung dergestalt erweiternd zu bestimmen, dass sich das Fahrzeug bereits etwa mit der Hälfte seiner Länge im Vorfahrtsbereich befunden habe. Aus Fahrtrichtung der Bekl. zu 1 gesehen ende bzw. beginne die trichterförmige Erweiterung im Bereich der T-Straße dort, wo die Randsteine leicht andersartig gepflastert seien, im Bereich des Einmündungstrichters sei der Randstein etwas dunkler als im Bereich der dann gerade verlaufenden T-Straße. Es werde deutlich, dass sich das Kl.-Fahrzeug im Vorfahrtsbereich der trichterförmigen Erweiterung befinde. Die Bekl. teilten daher nicht die Beurteilung des LG, dass sich das Kl.-Fahrzeug – gemeint wohl: das Bekl.-Fahrzeug – mit der Front außerhalb des bevorrechtigten Einmündungsbereichs auf der linken Seite der T-Straße befunden hätte. Daher sei auch die darauf fußende Schlussfolgerung des LG nicht zutreffend, wonach die Bekl. zu 1 einen erheblichen Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot begangen hätte. Soweit sie weiter rechts hätte fahren können, habe die Bekl. zu 2 dies im Rahmen der Regulierungsentscheidung bereits berücksichtigt, indem Schadensersatzansprüche der Kl. auf der Grundlage einer Haftungsquote von 1/3 bedient worden seien. Entgegen der Auffassung der Berufung beruht indessen nich...

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