BGB § 269 § 280 § 281 § 437 § 439 § 440 § 475; RiL 1999/44/EG Art. 3

Leitsatz

1. Ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers setzt die Zurverfügungstellung der Kaufsache am rechten Ort, nämlich dem Erfüllungsort der Nacherfüllung, voraus. Für dessen Bestimmung ist im Kaufrecht die allgemeine Vorschrift des § 269 Abs. 1, Abs. 2 BGB maßgebend (Bestätigung der Senats-Rspr., vgl. Senatsurt. v. 13.4.2011).

2. Die Kostentragungsregelung des § 439 Abs. 2 BGB begründet in Fällen, in denen eine Nacherfüllung die Verbringung der Kaufsache an einen entfernt liegenden Nacherfüllungsort erfordert und bei dem Käufer deshalb Transportkosten zwecks Überführung an diesen Ort anfallen, bei einem Verbrauchsgüterkauf nicht nur einen Erstattungsanspruch gegen den Verkäufer; der Käufer kann nach dem Schutzzweck der von Art. 3 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie geforderten Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung vielmehr grds. schon vorab einen (abrechenbaren) Vorschuss zur Abdeckung dieser Kosten beanspruchen, auch wenn das Vorliegen des geltend gemachten Mangels noch ungeklärt ist. Dementsprechend liegt ein taugliches Nacherfüllungsverlangen des Käufers vor, wenn seine Bereitschaft, die Kaufsache zum Ort der Nacherfüllung zu verbringen, nur wegen der ausgebliebenen Vorschussleistung des Verkäufers nicht umgesetzt wird.

BGH, Urt. v. 19.7.2017 – VIII ZR 278/16

Sachverhalt

Die in Schleswig-Holstein wohnende Kl. kaufte von der in Berlin einen Fahrzeughandel betreibenden Bekl. zum Preis von 2.700 EUR einen gebrauchten Pkw, den die Bekl. in einem Internetportal angeboten hatte. Obwohl die Kl. nicht Unternehmerin war oder als solche aufgetreten war, wurde in dem Kaufvertragsformular unter der Rubrik "Besondere Vereinbarungen" festgehalten: "Händlergeschäft, unter Ausschluss der Sachmängelhaftung … . Erfüllungsort beim Verkäufer!"

Im Mai 2015 wandte sich die Kl. mehrfach vergeblich an den Bekl., um wegen eines nach seiner Behauptung aufgetretenen Motordefekts die weitere Vorgehensweise zur Behebung des Schadens im Rahmen er Gewährleistung zu klären. Nach dem Ausbleiben einer Stellungnahme der Bekl. forderte die Kl. am 15.5.2015 unter Fristsetzung bis zum 30.5.2015 die Nachbesserung.

Die Bekl. bot innerhalb der gesetzten Frist telefonisch eine Mängelbeseitigung in Berlin an. Die Kl. forderte daraufhin einen Transportkostenvorschuss von 380 EUR aufgrund der nach ihrer Darstellung fehlenden Fahrbereitschaft des Pkw bzw. die Abholung des Pkw durch die Bekl. auf deren Kosten. Nachdem die Bekl. sich hierauf nicht meldete, setzte die Kl. am 3.6.2015 eine Nachfrist zur Mangelbeseitigung bis zum 10.6.2015. Auch hierauf reagierte die Bekl. nicht. Die Kl. ließ nunmehr den Mangel reparieren und machte mit der Klage Schadensersatz wegen der Reparaturkosten und Transport- und Reisekosten gelten.

Die Klage wurde abgewiesen; die Berufung hiergegen blieb erfolglos. Die zugelassene Revision führte zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und zur Zurückverweisung.

2 Aus den Gründen:

[15] "… II. Mit der vom BG gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Kl. auf Ersatz der Kosten und Einbußen, die sie aufgrund der von ihr im Wege der Selbstvornahme veranlassten Reparatur des gekauften Pkw geltend macht, nicht verneint werden. Denn die Beurteilung des BG, wonach es wegen der unterlassenen Vorstellung des Fahrzeugs in Berlin bereits an einem für den beanspruchten Schadensersatz (§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB) gem. § 439 Abs. 1 BGB erforderlichen wirksamen Nacherfüllungsverlangen gefehlt habe, weil der Kl. auch ohne den angeforderten Transportkostenvorschuss eine Verbringung des Fahrzeugs dorthin zwecks Ermöglichung einer Untersuchung der gerügten Mängelerscheinungen zuzumuten gewesen sei, ist in einem entscheidenden Punkt mit Rechtsfehlern behaftet."

[16] 1. Das BG hat es – nach seinem Standpunkt folgerichtig – dahinstehen lassen, ob das verkaufte Fahrzeug die von der Kl. behaupteten und ihrem Ersatzbegehren zugrunde gelegten Motordefekte gehabt hat und aus diesem Grunde nicht mehr fahrbereit gewesen ist. Es ist deshalb für die revisionsrechtliche Prüfung als notwendige Voraussetzung sowohl des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs als auch des nachstehend behandelten Transportkostenvorschussanspruchs (vgl. Senatsurt. v. 30.4.2014 – VIII ZR 275/13, BGHZ 201, 83 = ZIP 2014, 1127 Rn 11 m.w.N.) zu unterstellen, dass diese Mängel, und zwar in der nach § 476 BGB zu vermutenden Weise (dazu Senatsurt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15, ZIP 2016, 2272 = WM 2017, 396 Rn 36, z.V.b. in BGHZ, dazu EWiR 2017, 47 (Sagan/Scholl)), vorgelegen und zu den Aufwendungen geführt haben, welche die Kl. aus Anlass der von ihr selbst veranlassten Reparatur und einer dadurch bedingten Unterbrechung der Nutzungsmöglichkeit als Schäden geltend gemacht hat.

[17] Insoweit ist das BG zugleich unangegriffen davon ausgegangen, dass der in die Kaufvertragsurkunde aufgenommene Ausschluss einer Sachmängelhaftung gem. §§ 474 Abs. 1, 475 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam ist. Denn die Kl. ist nach dem unstreiti...

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