"I. Das Regierungspräsidium K hat mit Bußgeldbescheid v. 3.1.2013 gegen den Betr. wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 33 km/h eine Geldbuße von 160 EUR festgesetzt, sowie ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Auf den vom Betr. eingelegten Einspruch hin, hat das AG Gießen ihn durch den angegriffenen Beschluss gem. § 72 OWiG freigesprochen. Das AG Gießen hat seinen Freispruch i.E. damit begründet, dass die durchgeführte Geschwindigkeitsmessung der Stadt G willkürlich ist und deren Ergebnis deswegen nicht verwertet werden darf."

Die hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde der StA Gießen führt auf Sachrüge hin zur Aufhebung des Beschlusses.

II. Eine Geschwindigkeitsmessung führt selbst wenn sie unter bewusster Umgehung von verwaltungsinternen Richtlinien ergangen ist, nicht per se zu einer willkürlichen Messung und damit zur Unverwertbarkeit des Messergebnisses.

Mit dem Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums in Kassel v. 3.1.2013 wurde dem Betr. vorgeworfen, am 13.11.2012 um 7:58 Uhr in G, Ortsteil B, R-Straße in Höhe Hausnummer 2 als Führer des Pkws mit dem amtlichen Kennzeichen … die dort innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h – nach Abzug der Toleranz – um 33 km/h überschritten zu haben.

Die mit dieser Messanlage gewonnenen Ergebnisse sind nach Ansicht des AG deswegen unverwertbar, weil die Stadt G die Einrichtung dieser stationären Messanlage unter bewusstem Verstoß gegen den Erlass des Hessischen Ministeriums des Inneren und für Sport – LPP 23 Mi-66k 12 – v. 6.1.2006 (StAnz. 2006, 286), welcher die Verkehrsüberwachung durch örtliche Ordnungsbehörden und Polizeibehörden regelt, begangen hat. Das AG folgert aus diesem bewussten Verstoß gegen die Erlasslage, dass die Aufstellung der Messanlage damit willkürlich und in Folge dessen die Verwertung des durch die Messanlage gewonnenen Beweismittels unverwertbar ist.

Dieser Ansatz greift zu kurz. Er berücksichtigt nicht ausreichend die von der Rspr. entwickelten Grundsätze zum Beweiserhebungsverbot und Beweisverwertungsverbot (vgl. BVerfG NJW 2000, 3557 m.w.N.).

Das AG hat vorliegend zutreffend dezidiert dargelegt, dass die Stadt G die verwendete Messanlage unter Verstoß gegen die Erlasslage aufgestellt hat, namentlich es bewusst unterlassen hat, die Hessische Polizeischule/Polizeiakademie Hessen zu der geplanten Errichtung an der gegenständlichen Örtlichkeit anzuhören und insb. die verkehrstechnische Notwendigkeit einer stationären Messanlage mit der Polizei abzustimmen. Dass das AG aus den im Einzelnen dargelegten wechselseitigen Schreiben und insb. der Stellungnahme der Polizeiakademie Sachbereich Verkehrssicherheit v. 25.4.2013, in dem ausdrücklich eine erfolgte Einbindung in die Prüfung zur Notwendigkeit einer derartigen Messanlage verneint wird, den Schluss zieht, dass die Stadt G die bei vergleichbaren anderen Anlagen in ihrem Gemeindegebiet der Erlasslage entsprechend die Polizeiakademie eingebunden hat, hier bewusst unter Umgehung der bekannten Erlasslage gehandelt hat, ist wenn auch nicht zwingend, ein möglicher und, da tatsachenfundiert begründet, vom Rechtsbeschwerdegericht hinzunehmender Schluss.

Das AG hat allerdings übersehen, dass hier der bewusste Verstoß gegen verwaltungsinterne Richtlinien schon nicht automatisch den Vorwurf der Willkür nach sich zieht (Beweiserhebungsverbot) und in der Folge erst recht nicht zwingend zur Unverwertbarkeit von Beweismitteln führt (Beweisverwertungsverbot).

So kann von willkürlicher Umgehung von verfahrensinternen Regelungen nur dann ausgegangen werden, wenn ausgeschlossen ist, dass ein regelgerechtes Verhalten die ergriffene Maßnahme nicht ermöglicht hätte. Dabei ist der Sinn und Zweck der missachteten Regelung in die Abwägung mit einzubeziehen. Die Anhörungs- und Abstimmungsnotwendigkeit mit der Polizeischule/Polizeiakademie Hessen, gegen die hier verstoßen wurde, dient der Feststellung einer verkehrstechnischen Notwendigkeit zur Errichtung einer stationären Messanlage. Bei bewusster Umgehung von verwaltungsinternen Richtlinien, ist deshalb in einer zweiten Stufe zu prüfen, ob diese Messanlage hätte aufgestellt werden können, wenn sie den Richtlinien entsprechend vorher geprüft worden wäre (Grundsatz des rechtmäßigen Alternativverhaltens). Erst wenn dieser zweite Prüfungsschritt ergibt, dass die Anlage auch nicht genehmigungsfähig wäre, mit anderen Worten, eine verkehrstechnische Notwendigkeit zur Messung ausgeschlossen ist, kann daraus der Schluss der willkürlichen Aufstellung gezogen werden, wenn festgestellt wird, was dann die Motivlage der Kommune ist und diese Motivlage möglicherweise rein fiskalisch begründet ist, wovon wohl das AG ausgeht.

Das erscheint vorliegend aber fraglich, da die Messung bei einer Durchgangsstraße innerhalb der Ortschaft erfolgt ist. Die Einhaltung der innerorts üblichen 50 km/h, die auch jeder Verkehrsteilnehmer kennt und die innerhalb umbauter Örtlichkeit auch als innerorts erkannt werden muss, ist i.d.R. aus Grü...

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