Diese ist anzunehmen, wenn der Lebensmittelpunkt des Privilegierten im Haushalt des Geschädigten liegt und eine auf Dauer angelegte gemeinschaftliche Wirtschaftsführung besteht.[36]

Neben der Dauer des gemeinsamen Wohnens sind Indizien für das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft etwa:

die finanzielle Beteiligung an den Kosten des Haushalts,[37]
die gemeinsame Einnahme von Mahlzeiten,[38]
das Befinden persönlicher Gegenstände in der Wohnung,[39]
das Bestehen eines gemeinsamen Wohnzimmers,[40]
die gemeinsame Nutzung einer Waschmaschine,[41]

Dabei kommt es weder auf die konkreten wirtschaftlichen Abreden an[42] noch auf eine momentane Abwesenheit.

Eine bestehende häusliche Gemeinschaft wird daher durch die Entfernung eines Beteiligten nicht aufgehoben, wenn die Abwesenheit nur äußere Gründe hat und jedenfalls keine willkürliche Lösung vom bisherigen Lebensmittelpunkt bedeutet.[43] Die häusliche Gemeinschaft ist also nicht an den überwiegenden Aufenthalt in der gemeinsamen Wohnung geknüpft, wenn die Abwesenheit äußere Gründe hat, die nicht für eine Lockerung des Familienverbandes sprechen. Da somit ein überwiegender Aufenthalt in der Wohnung nicht erforderlich ist, hebt eine zeitweilige Abwesenheit auch von längerer Dauer (z.B. Montagetätigkeit, Seemann,[44] Soldat, Fernfahrer) die häusliche Gemeinschaft nicht auf, sofern die Absicht besteht, an diesen Aufenthaltsort zurückzukehren.[45]

Daher wird die häusliche Gemeinschaft zwischen Kindern und Eltern auch nicht dadurch aufgehoben, dass das Kind nur zu Ausbildungszwecken auswärts wohnt, ohne sein Zimmer im Elternhaus aufzugeben.[46]

Sie ist jedoch dann aufgehoben, wenn ein volljähriges Kind seit Beginn seines Studiums eine eigene Wohnung alleine oder mit Dritten bezieht und diese räumliche Trennung nicht nur vorübergehend ist, sondern auf einer langfristigen Entscheidung über getrennte Wohnverhältnisse beruht. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit des studierenden Sohnes vom Bar- und Naturalunterhalt der Mutter begründet für sich alleine keine gemeinsame Wirtschaftsführung, die für die Anwendbarkeit des Angehörigenprivilegs ausreichen würde.[47]

Weder Wohngemeinschaft noch gemeinsame Wirtschaftsführung liegt daher vor, wenn ein Auszug nicht durch den Besuch einer auswärtigen Hochschule bedingt war und der Sohn auch kein eigenes Zimmer im Haushalt seiner Mutter, in das er nach dem Studium während der Woche immer wieder zurückkehren kann, behält.

Leben erwachsene Kinder noch im Haushalt der Eltern ("Hotel Mama") und werden sie dort versorgt, besteht auch dann weiterhin häusliche Gemeinschaft, wenn Kostgeld gezahlt wird.[48]

Das Merkmal der häuslichen Gemeinschaft darf gerade im Eltern-Kind-Verhältnis nicht eng ausgelegt werden.[49]

Das BVerfG hat daher entschieden, dass ein minderjähriges Kind getrennt lebender Eltern auch mit demjenigen Elternteil in häuslicher Gemeinschaft lebt, das regelmäßig sein Umgangsrecht wahrnimmt und in dieser Zeit das Kind in seinen Haushalt (auch über Nacht) aufnimmt.[50] Es entsteht bei dieser Art familiären Zusammenlebens von Elternteil und Kind, die allein durch die Trennung der Eltern bedingt ist, auch eine häusliche Gemeinschaft, die nicht minder schützenswert ist als diejenige, bei der Elternteil und Kind täglich zusammenleben.

Die weite Auslegung des Begriffs der häuslichen Gemeinschaft zeigt auch eine Entscheidung des BGH,[51] dem folgender Sachverhalt zugrunde lag: Ein Sohn lebte mit seiner Ehefrau und seinen Eltern in separat abgeschlossenen Wohnungen innerhalb eines Einfamilienhauses. Häusliche Gemeinschaft wurde im Zuge einer "pauschalen Gesamtschau" angenommen, da eine gemeinschaftliche Lebensführung innerhalb eines Hauswesens vorlag; sozusagen ein Familienverband bestand, in dem eine gewisse wirtschaftliche Einheit herrschte. Diese Entscheidung zeigt, dass besonders das Interesse an der Erhaltung des häuslichen Familienfriedens in den Vordergrund zu rücken ist.

Bei der Bewertung einer häuslichen Gemeinschaft wird man stets den oben beschriebenen Gesetzeszweck zu beachten haben: Der Geschädigte soll davor bewahrt werden, letzten Endes doch den Schaden tragen zu müssen. § 86 Abs. 3 VVG trifft daher dann zu, wenn der VN mit dem Erben des "Dritten" in häuslicher Gemeinschaft lebt.[52] Sogar Ehegatten, die innerhalb der ehelichen Wohnung im Sinne des Scheidungsrechts getrennt leben (vgl. § 1567 Abs. 1 BGB), können unter Umständen noch eine häusliche Gemeinschaft bilden.[53]

Im Rahmen des § 86 Abs. 3 VVG ist stets zu fordern, dass der Schadenverursacher sich zumindest in einer gewissen wirtschaftlichen Abhängigkeit zum Geschädigten befindet; "lose" Zweckgemeinschaften, in denen Menschen sich eine Wohnung teilen – insbesondere (studentische) Wohngemeinschaften – erfüllen die Anforderungen des § 86 Abs. 3 VVG nicht.

[36] BGH VersR 1980, 644.
[37] BGH VersR 1980, 644.
[38] OLG Frankfurt VersR 1984, 254.
[39] BGH VersR 1980, 644.
[40] BGH VersR 1986, 333.
[41] BGH VersR 1986, 333.
[42] BGH VersR 1986, 333.
[43] LG München I VersR 1978, 1140...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge