[6] "… Das BG hätte einen Schadensersatzanspruch des Kl. gegen den Bekl. nicht wegen mangelnder Erfolgsaussicht des Vorprozesses scheitern lassen dürfen."

[7] 1. Noch zutreffend ist das BG von einer schuldhaften Verletzung der Pflichten des Bekl. bei der Vertretung des Kl. im Vorprozess ausgegangen.

[8] a) Es ist Aufgabe des Rechtsanwalts, der einen Anspruch seines Mandanten klageweise geltend machen soll, die zugunsten seiner Partei sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich darzustellen, damit sie das Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigen kann (BGH, Urt. v. 18.12.2008 – IX ZR 179/07, WM 2009, 324 Rn 8; v. 11.4.2013 – IX ZR 94/10, zVb, Rn 4). Er darf sich nicht ohne Weiteres mit dem begnügen, was sein Auftraggeber ihm an Informationen liefert, sondern muss um zusätzliche Aufklärung bemüht sein, wenn den Umständen nach für eine zutreffende rechtliche Einordnung die Kenntnis weiterer Tatsachen erforderlich und deren Bedeutung für den Mandanten nicht ohne Weiteres ersichtlich ist (BGH, Urt. v. 20.6.1996 – IX ZR 106/95, WM 1996, 1832, 1834 f.; v. 7.2.2002 – IX ZR 209/00, WM 2002, 1077, 1078; Vill, in: Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn 738 ff. m.w.N.). Er ist zu rechtzeitigem Vortrag verpflichtet (BGH, Urt. v. 28.6.1990 – IX ZR 209/89, NJW-RR 1990, 1241, 1244) und muss damit verhindern, dass einzelne Angriffs- oder Verteidigungsmittel als verspätet zurückgewiesen werden (Zugehör/Vill, a.a.O. Rn 743 m.w.N.). Auch hat er die Interessen seines Auftraggebers in den Grenzen des erteilten Mandats nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen. Er hat, wenn mehrere Maßnahmen in Betracht kommen, diejenige zu treffen, welche die sicherste und gefahrloseste ist, und, wenn mehrere Wege möglich sind, um den erstrebten Erfolg zu erreichen, den zu wählen, auf dem dieser am sichersten erreichbar ist (BGH, Urt. v. 23.9.2004 – IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494, 495; v. 29.6.2006 – IX ZR 76/04, WM 2006, 2055 Rn 9; Zugehör/Vill, a.a.O. Rn 635 ff.; jeweils m.w.N.).

[9] b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das BG mit Recht von der schuldhaften Verletzung anwaltlicher Pflichten im Vorprozess durch den Bekl. ausgegangen. Den hiergegen gerichteten Angriffen der Revisionserwiderung muss der Erfolg versagt bleiben.

[10] aa) Nach den Feststellungen des BG hatte der Kl. bereits frühzeitig gegenüber dem Bekl. seine unfallbedingten psychischen Beeinträchtigungen angesprochen. Der Bekl. will diesen Vortrag im Haftungsprozess jedoch zurückgehalten haben, weil ihm die von dem Kl. geschilderten unfallbedingten psychischen Probleme nicht beweisbar erschienen. Damit hat er gegen seine anwaltlichen Pflichten verstoßen. Ein dem Gebot des sichersten Weges verpflichteter Rechtsanwalt hätte die Beibringung entsprechender weiterer Nachweise zur Ursächlichkeit des Unfallereignisses für die geschilderten psychischen Beeinträchtigungen nicht lediglich abwarten dürfen. Er hätte sich bei dem Kl. näher informieren und zeitnah Vortrag zu den von diesem geschilderten psychischen Beeinträchtigungen und der behaupteten Unfallursächlichkeit halten müssen, zumal sich die Frage der Beweisbarkeit der klägerischen Angaben erst bei ihrem Bestreiten durch die Bekl. stellen konnte. Der in diesem Fall bestehenden Gefahr des Prozessverlustes aufgrund einer notwendigen Substantiierung des Sachvortrages hätte der Bekl. mit einer zugleich formulierten Bitte um einen gerichtlichen Hinweis begegnen können, ob das Gericht den Sachvortrag des Kl. für genügend erachte, um daraufhin ein gerichtliches Sachverständigengutachten einzuholen, oder eine vorherige Substantiierung für geboten halte. Einen solchen Hinweis hätte das Gericht gem. § 139 Abs. 1 ZPO erteilen müssen. Sollte dem Kl. weiterer Vortrag mangels eigener Sachkenntnis anderenfalls nicht möglich gewesen sein, hätte er auch die Einholung eines privaten Gutachtens als zu seiner Rechtsverfolgung notwendig ansehen dürfen (vgl. BGH, Beschl. v. 17.12.2002 – VI ZB 56/02, BGHZ 153, 235, 238 f.; v. 23.5.2006 – VI ZB 7/05, NJW 2006, 2415 Rn 9 ff.). Die hierfür notwendige Zeit hätte dem Kl. nach Darlegung der Erforderlichkeit vom Prozessgericht gewährt werden müssen. Ein auf diese Weise ergänzter Vortrag hätte dann weder als unsubstantiiert noch als verspätet behandelt werden dürfen.

[11] Statt dessen hat der Bekl. erst mit Schriftsatz v. 22.5.2005 unmittelbar vor dem Termin per Telefax eingereicht und schriftlich im Termin überreicht – auf die “schweren psychischen Auswirkungen’ hingewiesen, die der Unfall auf den Kl. hatte, und einen Befundbericht vorgelegt, aus welchem sich nicht ergibt, dass die dort beschriebenen psychischen Beschwerden im Zusammenhang mit dem im Jahr 2002 erlittenen Unfall stehen.

[12] bb) Im Übrigen ist dem Bekl. vorzuwerfen, dass er in der Berufungsinstanz nicht alles getan hat, um die Lücken im Vortrag, die zum vorläufigen Prozessverlust geführt hatten, noch auszugleichen, wenn er glaubte, ihm hätten bis zum A...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge