Mit großem Tamtam wurde das neue Cannabisgesetz ("Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften") vom Bundeskabinett beschlossen. Der Gesetzesentwurf ist in großen Teilen mit unterschiedlicher Argumentation auf Kritik gestoßen, sowohl bei "Hanffreunden" als auch bei Richtern, Polizei und Gesundheitsexperten. Sogar der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat Bedenken, da das Vorhaben gegen EU- und Völkerrecht verstoßen könnte.

In jedem Fall stellt sich aber bei einer Legalisierung die Frage, was geschieht mit Autofahrern, die vermeintlich unter Cannabiseinfluss fahren. "Vermeintlich" deshalb, weil bereits 1 ng/ml THC im Blut bislang ausreicht, um eine die Verkehrssicherheit anzunehmende Wirkung zu fingieren. Dies folgt aus § 24a Abs. 2 StVG und den Urteilen BVerfG NJW 2005, 349; BVerwG zfs 2015, 173. Ob eine berauschende Wirkung (noch) vorlag, erscheint jedenfalls dann zweifelhaft, wenn der Konsum mindestens 24 Stunden zurücklag, gleichwohl aber aufgrund des zum flüchtigen Alkohol viel trägeren THC-Abbaus noch ein solcher Wert im Zeitpunkt der Polizeikontrolle festgestellt wird.

Die Folge ist, dass ab dem zweiten Mal, oft aber schon beim ersten Vorfall mit einer solchen THC-Konzentration eine MPU verlangt wird. Ich habe Fälle, wo bereits der Besitz einer geringen Menge Cannabis, aufgefunden in der Jackentasche, ohne jeglichen THC-Nachweis im Blut zur MPU-Auflage führt, weil Mitführen einer geringen Menge auf regelmäßigen Konsum schließen lasse. Im Gegensatz dazu gab es noch keine MPU-Auflage gegenüber einem nüchternen Autofahrer, der in seinem Kombi 5 Kisten Bier und 3 Flaschen Wachholder geladen hatte. Die Argumentation der Führerscheinbehörden bekommt im Falle einer Legalisierung von Cannabis deshalb auch Brüche.

Und zeigt eine weitere Ungerechtigkeit zum alkoholisierten Fahrer auf: Wer unter 0,5 o/oo Blutalkohol aufweist, kann durchaus beeinträchtigt in der Fahrtüchtigkeit sein, ohne im Regelfall Konsequenzen befürchten zu müssen, derjenige aber mit 1 ng/ml THC ist selten beeinträchtigt, kann aber über eine MPU-Auflage schnell seine Fahrerlaubnis los sein. Das erscheint gegenüber Alkoholfahrten eine wenig hinzunehmende Ungleichbehandlung zum sanktionslosen Beeinträchtigungsgrenzwert zwischen 0,3 – 0,49 o/oo zu sein. Mit anderen Worten, wer aufgrund der besonders langsamen Abbaugeschwindigkeit von THC noch Tage nach einem Konsum ohne jegliche Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit einen Wert von 1 ng/ml aufweist, verliert unter Umständen seine Fahrerlaubnis, während die getrunkene Dose Bier vor der Fahrt sanktionslos bleibt.

Cannabiskonsumenten haben zudem größere Schwierigkeiten, die MPU zu bestehen, weil sie ja in der Regel zwischen Konsum und Fahren trennen können. Auch können sie den "falschen Freunden" nicht entsagen, weil es solche meist nicht gibt und gerade der gemeinsame Konsum eine Besonderheit von Cannabis darstellt, die bei einer Legalisierung nicht zwingend Rückschlüsse auf fehlendes Trennungsverhalten und die Fahreignung haben.

Leider kann das Problem nicht so einfach gelöst werden. Denn es ist – da sind sich die Experten der Grenzwertkommission einig – nicht möglich, bei THC einen dem Alkoholgehalt vergleichbaren Wert für relative und absolute Fahruntüchtigkeit festzusetzen. Alleine schon die Wirkweise von Alkohol und THC ist sehr unterschiedlich. Es kann eine Rolle spielen, wie Cannabis konsumiert wird, wie die selten gleichbleibende Qualität ist oder ob es sich um einen gelegentlichen oder Dauerkonsumenten handelt.

Ein Teil der Grenzwertkommission um Prof. Tönnes und Auwärter haben dennoch mutig einen Grenzwert von 3,5 ng/ml THC vorgeschlagen. Bis zu diesem Wert erscheine das Risiko ihrer Ansicht nach beherrschbar, dass kein Kiffer verkehrsuntauglich unterwegs ist. Für mich ist es ein überlegenswerter Vorschlag zur Gleichbehandlung mit Alkoholfahrten, denn auch dort nimmt der Gesetzgeber bis zum Wert von 0,49 o/oo durchaus auch das Risiko von Verkehrsbeeinträchtigungen in Kauf.

Autor: Andreas Krämer

RA Andreas Krämer, FA für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht, Frankfurt/Main

zfs 10/2023, S. 541

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