Eine Fristregelung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen benachteiligt einen Versicherungsnehmer allgemein unangemessen im Sinn von § 307 Abs. 1 BGB, wenn sie mit Grundgedanken der einschlägigen gesetzlichen Regelung unvereinbar ist und/oder wesentliche, sich aus der Natur des Versicherungsvertrages der einschlägigen Art ergebende Rechte und Pflichten so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wäre.[20] Folgerichtig benachteiligt eine Fristregelung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer privaten Krankenversicherung einen Versicherungs-nehmer in diesem Sinn unangemessen, wenn sie mit Grundgedanken der gesetzlichen Regelung betreffend die private Krankenversicherung unvereinbar ist und/oder wesentliche, sich aus der Natur des Krankenversicherungsvertrags ergebende Rechte und Pflichten so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wäre. Weil das Recht der privaten Krankenversicherung in den §§ 192208 VVG geregelt ist, bedeutet dies, dass eine Fristregelung in Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer privaten Krankenversicherung unter anderem stets dann unangemessen ist, wenn sie mit den im genannten Teil des VVG kodifizierten Grundgedanken unvereinbar ist. Zu den letzteren gehört es, dass niemand ohne Versicherungsschutz und damit im Bedarfsfall nicht ausreichend versorgt oder auf steuerfinanzierte staatliche Leistungen angewiesen sein soll.[21] Genau diese Gefahr droht, wenn Allgemeine Versicherungsbedingungen einer privaten Krankheitskostenversicherung einen Anspruch auf Versicherungsleistungen davon abhängig machen, dass der Versicherungsnehmer eine dort vorgesehene Frist beachtet; denn anderenfalls ist es nicht ausgeschlossen, dass jemand im Bedarfsfall infolge der mit einer Fristversäumnis begründeten Leistungsverweigerung seitens eines privaten Krankenversicherers auf steuerfinanzierte staatliche Leistungen angewiesen ist. Gerade dies will der genannte Grundgedanke der einschlägigen gesetzlichen Regelung verhindern. Daher werden die Versicherungsnehmer durch in Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer privaten Krankheitskostenversicherung normierte Fristen im obigen Sinn allgemein unangemessen benachteiligt. Dies gilt unabhängig davon, wann der betreffende Versicherungsvertrag geschlossen wurde; denn der für das Versicherungsprodukt Krankheitskostenversicherung allgemein geltende[22] § 192 Abs. 1 VVG, der bestimmt, dass eine solche Versicherung die Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung allgemein[23] und damit unabhängig von zeitlichen Faktoren zu erstatten hat, enthält keine Ausnahmeregelung für Altfälle. Hierin zeigt sich, dass der Umfang des Versicherungsschutzes in der privaten Krankheitskostenversicherung allgemein auch von den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften abhängt.[24]

Schließlich scheitert eine Inhaltskontrolle bei solchen Fristregelungen auch nicht an § 307 Abs. 3 BGB, der zur Folge hat, dass Leistungsbeschreibungen in AGB, die Art, Güte und Umfang der Hauptleistungspflicht unmittelbar festlegen, einer solchen Kontrolle entzogen sind;[25] denn eine Fristregelung der hier interessierenden Art macht das "Ob" der Hauptleistungspflicht von einer Bedingung, nämlich der Einhaltung der einschlägigen Frist, abhängig und schränkt dadurch diese Pflicht als solche ein. AGB-Bestimmungen der letzteren Art unterliegen uneingeschränkt der Inhaltskontrolle nach den §§ 305310 BGB.[26]

[21] Vgl. BT-Drucks 16/4247, 66, rechte Spalte.
[22] Vgl. Vicki Irene Commer, "Krankenversicherung/E. Krankheitskostenversicherung", Rn 211, www.haufe.de.
[23] Vgl. Wigo Müller, "Private Krankenversicherung. Die Frage der Beweislast nach § 192 I VVG", S. 1, 2016, https://www.grin.com.
[26] S. Fn 25.

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