Es war abzusehen, dass irgendwann eines der Oberlandesgerichte, die schon zum Thema Akteneinsicht die konservativsten Ansichten hatten, auch bei dem Messverfahren Leivtec XV3 die (betroffenenfreundlichen) anderen Ansichten für falsch erachtet und eine Vorlage zum BGH mit der bayerischen Begründung ("wir haben ja Recht") nicht in Betracht zieht. Dennoch überzeugt die Entscheidung des OLG Schleswig nur partiell. Denn um das Gütesiegel des standardisierten Messverfahrens zum (Beweis-)Nachteil des Betroffenen ins Spiel bringen zu können, muss ein Messgerät die Verkehrsfehlergrenze, die bei der Zulassung maßgebend ist, unter allen Bedingungen und Eventualitäten des fließenden Verkehrs einhalten. Dies ist bei dem Messgerät Leivtec XV3 gerade nicht mehr zwingend der Fall, denn sowohl private Sachverständige als auch die PTB haben Abweichungen oberhalb der Verkehrsfehlergrenze generieren können. Dass die diesen Messungen zugrunde liegenden besonderen Verkehrskonstellationen im Alltagsverkehr nicht denkbar sein könnten, wurde an keiner Stelle behauptet. Dass sie "konstruiert" sind, ist gerade typisch für den Versuch, ein Messgerät an seine Grenzen zu bringen, und spricht nicht gegen die Möglichkeit einer solchen Besonderheit auch im Alltagsverkehr. Dass dies alles auf private Initiative hin geschah und erkannt wurde und nicht etwa durch besonders akribische Prüfung der Messalgorithmen durch die dafür zuständigen Stellen, spricht Bände und nährt die erheblichen Zweifel, die viele Verteidiger, Sachverständige und Betroffene gegen das Prüfsystem durch PTB und Eichämter hegen. Es darf ja gerade nicht so sein, dass ein Messgerät nur für den Standardfall zuverlässige Messergebnisse liefert. Das wäre eine makabre Auslegung des "standardisierten" Messverfahrens. Insofern ist den Oberlandesgerichten Celle und Oldenburg (und im Übrigen auch Stuttgart) eben doch Recht zu geben, die konkrete Zweifel an dem Messgerät haben und deshalb für geeignete Fälle eine sachverständige Überprüfung der Messung fordern bzw. bei Verstößen geringeren Gewichts eine Einstellung des Verfahrens befürworten. Dass der Hersteller sich nicht einmal mehr um die Zulassung eines Folgegeräts bemühen wird, ist ein zur Thematik passender Umstand (vgl. Simon, NZV 2021, 385, 388).

RAG Dr. Benjamin Krenberger

zfs 10/2021, S. 591 - 594

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge