Diese Linie ist vom BVerfG[97] bestätigt worden. Bei der erforderlichen Abwägung der Interessen können vor allem Art, Umfang und mutmaßliche Dauer des Strafverfahrens, Art und Intensität der zu befürchtenden Schädigung sowie Möglichkeiten, dieser entgegenzuwirken, Beachtung erfordern. Hierbei kommt staatlichen Stellen ein erheblicher Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Die Verfassung gebietet keinen vollkommenen Schutz vor jeglicher mit einem Strafverfahren einhergehender Gesundheitsgefahr. Dies gilt umso mehr, als ein gewisses Infektionsrisiko mit dem neuartigen Corona-Virus derzeit für die Gesamtbevölkerung zum allgemeinen Lebensrisiko gehört. Besteht die naheliegende, konkrete Gefahr, dass der Beschuldigte bei Durchführung der Hauptverhandlung sein Leben einbüßen oder schwerwiegenden Schaden an seiner Gesundheit nehmen würde, so verletzt ihn die Fortsetzung des Strafverfahrens in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S 1 GG. Ein Gericht, das über die Anberaumung und Durchführung von Hauptverhandlungsterminen entscheidet, wird seiner Pflicht, zwischen dem Risiko einer Infektion mit potenziell gefährlichem Verlauf (hier: Covid-19) und dem Interesse des Staates an einer effektiven Strafverfolgung abzuwägen, regelmäßig dadurch gerecht, dass es – sachverständig beraten – geeignete Maßnahmen zur Minimierung der Ansteckungsgefahr durch ein an den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts orientiertes Hygienekonzept trifft.[98]

[97] NJW 2020, 2327.

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