Bei den Obergerichten hat sich diese Linie indessen nicht durchgesetzt. Die Oberlandesgerichte haben die Bußgeldandrohungen auf der Grundlage der Schutzvorschriften in den Corona-Schutz-Verordnungen nahezu durchgehend für verfassungsgemäß und wirksam erklärt:

OLG Stuttgart (4. Senat)[55] und OLG Karlsruhe[56] : Das IfSG ermächtigte im März 2020 in verfassungsrechtlich zulässiger Weise die Landesregierung Baden-Württemberg, den Aufenthalt im öffentlichen Raum angesichts der Corona-Pandemie zu beschränken und Verstöße als Ordnungswidrigkeit auszugestalten.
OLG Oldenburg[57] : Das Ansammlungsverbot gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 der Nds. Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona Pandemie vom 7.4.2020 ist von der Rechtsgrundlage des IfSG gedeckt.
OLG Hamm[58] : Das "Ansammlungsverbot" gemäß § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW (i.d.F. vom 30.3.2020 bzw. 27.4.2020) findet in § 32 i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG eine hinreichende gesetzliche Grundlage. Die Verordnungsermächtigung der §§ 32, 28 Abs. 1 IfSG und § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW in seiner konkreten Ausgestaltung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
OLG Karlsruhe[59] : Das IfSG enthält mit den in §§ 28, 32, 73 Abs. 1a Nr. 24 getroffenen Regelungen eine ausreichende Ermächtigung für die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 Corona-VO BW angeordnete Beschränkung (Pflicht zum Tragen einer nicht-medizinischen Alltagsmaske oder vergleichbaren Mund-Nasen-Bedeckung bei Nutzung des öffentlichen und des touristischen Personenverkehrs) und deren Bußgeldbewehrung in § 19 Nr. 2 Corona-VO i.d.F. vom 22.9.2020.
KG[60] : Aus dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG folgt, dass der Begriff der "Schutzmaßnahmen" umfassend ist und der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum an geeigneten Schutzmaßnahmen eröffnet, welches durch die Notwendigkeit der Maßnahme im Einzelfall begrenzt wird.Staatliche Regelungen, die auch den vermutlich gesünderen und weniger gefährdeten Menschen in gewissem Umfang Freiheitsbeschränkungen abverlangen, sind zulässig, wenn gerade hierdurch auch den stärker gefährdeten Menschen, die sich ansonsten über längere Zeit vollständig aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückziehen müssten, ein gewisses Maß an gesellschaftlicher Teilhabe und Freiheit gesichert werden kann. Bei der gegebenen Gefährdungslage mit erheblichen prognostischen Unsicherheiten, die auch eine katastrophale Überlastung des Gesundheitswesens einbezog, war der Rückgriff auf die infektionsschutzrechtliche Generalklausel, zumindest für eine Übergangszeit, hinzunehmen.
[55] Beschl. v. 21.4.2021 – 4 Rb 24 Ss 7/21, juris.
[57] Beschl. v. 15.3.2021 – 2 Ss (OWi) 68/21, juris; Beschl. v. 13.4.2021 – 2 Ss (OWi) 91/21, juris.
[58] Beschl. v. 28.1.2021 – III-4 RBs 446/20 und 3/21, juris; Beschl. v. 8.2.2021 – 1 RBs 2, 4-5/21, juris.
[59] Beschl. v. 11.6.2021 – 2 Rb 35 Ss 94/21, juris = StRR 7/2021, 33 [Deutscher].

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge