"… [11] Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BG."

[12] I. Nach dessen Auffassung ist die Leistungspflicht des Bekl. nicht dadurch weggefallen, dass er den Kl. auf das seit April 2012 bestehende Arbeitsverhältnis konkret verwiesen habe. Diese Tätigkeit habe nicht dessen bisheriger Lebensstellung entsprochen. Den dabei anzulegenden Maßstäben werde eine allein auf das rechnerische Durchschnittseinkommen der letzten drei Jahre vor Eintritt der Berufsunfähigkeit abstellende Feststellung der vormaligen Lebensstellung nicht gerecht. Bei einer solchen Berechnung wirkten sich etwaige Arbeitszeitdefizite auch dann einkommensmindernd aus, wenn diese etwa auf die jeweilige Auftragslage des konkreten Arbeitgebers zurückzuführen seien. Der Kl. sei auch nur einmal arbeitslos gewesen, was seine Lebensverhältnisse im Januar 2008 nicht signifikant geprägt habe. Einer Feststellung der Lebensverhältnisse durch Ermittlung eines auf mehrjähriger Basis erzielten Durchschnittseinkommens stehe zudem entgegen, dass der Kl. 2007 aus in der Person seines Arbeitgebers liegenden Gründen vorübergehend außerhalb der Baubranche gearbeitet habe.

[13] Vor diesem Hintergrund seien die vormaligen Lebensverhältnisse des Kl. im Mindestmaß maßgeblich durch die Bedingungen des seit 1997 jeweils durch Rechtsverordnung für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe geprägt gewesen. Der rechtliche Ansatz, eine Fortschreibung des in gesunden Tagen erzielten Einkommens auf Grundlage aktueller Tarifbedingungen vorzunehmen, gelte jedenfalls dann, wenn diese auf einem Tarifvertrag mit erheblicher Verbreitung oder (wie vorliegend) auf einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarif beruhten. (…)

[14] Auch durch die im Verlaufe des Rechtsstreits von dem Bekl. erklärte weitere Verweisung auf eine fiktive Vollzeittätigkeit mit 40 Wochenstunden als Kaufmann im Großhandel und Verkauf sei die Leistungspflicht des Bekl. nicht beendet worden oder auch nur vorübergehend in Wegfall geraten. Das fiktive Einkommen aus der Verweisungstätigkeit (1.428,27 EUR brutto bei einem Stundenlohn von 8,24 EUR) entspreche circa 80,4 % des sich aus der Fortschreibung der vormaligen Lebensstellung des Kl. ergebenden Einkommens (1.776,67 EUR brutto aufgrund eines Bau-Mindestlohns von inzwischen 10,25 EUR); einen anderen Stundenlohn im fiktiven Arbeitsverhältnis habe der Bekl. nicht (…) dargelegt. Die Regelung in Ziffer I Nr. 2 Abs. 2.1 TB/BV führe nicht etwa dazu, dass eine Überschreitung der angeführten Einkommensgrenze stets den Wegfall einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit bedeute. Vorliegend stehe dem Wegfall der Berufsunfähigkeit entgegen, dass die vormalige Lebensstellung durch ein vergleichsweise geringes Einkommen geprägt gewesen sei. Ferner wohne dem Bau-Mindestlohn (Ost) aufgrund der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifs eine Sicherung des Einkommens vor Geldentwertung für die Zukunft inne, welche gegenüber einer lediglich einzelvertraglich geregelten Vergütung eine zusätzliche Statusverbesserung ausmache.

[15] Die Entwicklung des Bau-Mindestlohns (Ost) führe außerdem dazu, dass ein fiktives Einkommen des Kl. aus der Verweisungstätigkeit jedenfalls ab dem 1.1.2014 wieder Einkünfte von weniger als 80 % des Bau-Mindestlohns (Ost) und damit ggf. ein Wiederaufleben der Berufsunfähigkeit des Kl. zur Folge gehabt habe.

[16] II. Mit der gegebenen Begründung kann die Entscheidung des Berufungsgerichts keinen Bestand haben.

[17] 1. Eine Verweisung des Versicherten auf eine andere Tätigkeit kommt nach den Bedingungen des Bekl. (§ 12 Abs. 1 B/BV, Ziffer I Nr. 2 Abs. 2.1 TB/BV) nur dann in Betracht, wenn die andere Tätigkeit seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Diese wird vor allem durch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit geprägt. Die Lebensstellung des Versicherten wird also von der Qualifikation seiner Erwerbstätigkeit bestimmt, die sich wiederum daran orientiert, welche Kenntnisse und Erfahrungen die ordnungsgemäße und sachgerechte Ausübung der Tätigkeit voraussetzt. Eine Vergleichstätigkeit ist dann gefunden, wenn die neue Erwerbstätigkeit keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert und in ihrer Vergütung sowie in ihrer sozialen Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt (Senat VersR 2018, 152 Rn 10 m.w.N.).

[18] Da die Berufsausübung vor Eintritt des Versicherungsfalles die Vergleichsmaßstäbe dafür liefert, ob die neue Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung entspricht, muss bekannt sein, wie sie konkret ausgestaltet war, welche Anforderungen sie an den Versicherten stellte, welche Fähigkeiten sie voraussetzte, welches Einkommen sie ihm sicherte und wie sich seine beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten real darstellten (Senat VersR 2017, 147 Rn 16; […]). Dies gilt auch bei der Nachprüfung des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit (…).

[19] 2. Diesen Maßstäben genügt die Vergleichsbetrachtung des BG zu den be...

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