"… a) Nach § 7 I. (1) AUB 96 genügt das Vorliegen einer durch den Unfall verursachten dauernden Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit für sich allein nicht. Für den Anspruch auf Invaliditätsleistung bedarf es vielmehr zusätzlich der Beachtung bestimmter Fristen. So muss die Invalidität binnen eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von weiteren drei Monaten ärztlich festgestellt worden sein. Das dient dem berechtigten Interesse des VR an der baldigen Klärung seiner Einstandspflicht und führt selbst dann zum Ausschluss von Spätschäden, wenn den VN an der Nichteinhaltung der Frist kein Verschulden trifft. Denn das Erfordernis fristgerechter Feststellung der Invalidität ist eine Anspruchsvoraussetzung, deren Nichtvorliegen nicht entschuldigt werden kann. Auch eine Leistungsablehnung des VR, die hier bereits vor der Geltendmachung von Invaliditätsansprüchen … erfolgt ist, ändert nichts daran, dass der Anspruch des VN nicht entsteht, wenn die Invalidität nicht fristgerecht ärztlich festgestellt worden ist (vgl. BGH zfs 2007, 400 …). Allerdings sind an die Feststellung der Invalidität keine hohen Anforderungen zu stellen. Diese muss sich nicht abschließend zu einem bestimmten Invaliditätsgrad äußern. Die Feststellung der Unfallbedingtheit braucht nicht einmal richtig zu sein und dem VR auch nicht innerhalb der Frist zuzugehen, sofern sie nur fristgerecht getroffen worden ist. … In dieser Auslegung ist die Fristenregelung AGB-rechtlich weder unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit noch unter demjenigen der Transparenz bedenklich (vgl. BGH zfs 2012, 581)."

Aus der Invaliditätsfeststellung müssen sich aber die ärztlicherseits dafür angenommene Ursache und die Art ihrer Auswirkungen ergeben (BGH zfs 2007, 400). Die erforderliche Prognose, die bei der Befunderhebung ärztlich festgestellte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit werde eine dauernde sein, setzt eine von ärztlicher Sachkunde und Erfahrung getragene Beurteilung voraus, ob und in welchem Umfang bestimmte Gesundheitsschädigungen auf das Unfallereignis zurückzuführen sind und ob die Gesundheitsschädigungen die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit auf Dauer mindern. Nur auf diese Weise kann die Invaliditätsfeststellung dem VR Gelegenheit geben, dem geltend gemachten Versicherungsfall nachzugehen und kann sie Grundlage für dessen Prüfung seiner Leistungspflicht sein. Zugleich ermöglicht sie diesem eine Ausgrenzung von in der Regel nur schwer abgrenzbaren und überschaubaren Spätschäden, die er vom Versicherungsschutz ausnehmen will (vgl. BGH VersR 2015, 150 …).

Aus diesen Gründen genügt eine bloße Befunderhebung – mangels nachvollziehbarer ärztlicher Bewertung – den Anforderungen an eine ärztliche Invaliditätsfeststellung grds. nicht. … Befunde können nur ausnahmsweise dann als ärztliche Feststellung gelten, wenn sie so eindeutig sind, dass sie für sich selbst sprechen, weil aus ihnen zwingend – etwa beim Vorliegen evident einer Besserung nicht mehr zugänglicher Schäden wie einer Querschnittslähmung – auf eine dauernde Beeinträchtigung geschlossen werden muss. …

b) Nach diesen Maßstäben fehlt es im Streitfall an einer fristgemäßen ärztlichen Feststellung.

Die 15-Monatsfrist lief am 30.3.2011 ab. Keine der bis zu diesem Zeitpunkt erstellten ärztlichen Bescheinigungen und Berichte enthält Angaben, die mit hinreichender Sicherheit den Schluss zuließen, dass die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit der Kl. durch den Treppensturz vom 30.12.2009 dauerhaft – also voraussichtlich länger als drei Jahre und ohne dass eine Änderung dieses Zustandes erwartet werden könnte, § 180 VVG – eingeschränkt wäre.

Das gilt aus den oben dargelegten Gründen sowohl für die Bescheinigung – “Zur Vorlage bei der Krankenhaustagegeldversicherung' – v. 29.7.2010 als auch für den Kurzarztbrief der C-Klinik v. 29.7.2010, die jeweils lediglich die Diagnose eines “multilokulären, multifaktoriellen Schmerzsyndroms im Chronifizierungsstadium III nach Gerbershagen, mit somatischen und psychischen Faktoren bei LWS-Syndrom nach Sturz, Multiplen Blockierungen im Achsenskelett, Stato-muskulärer Imbalance, Craniomandibulärer Dysfunktion, Zustand nach Facialisparese, Hörsturz und Tinnitus links 2006' aufweisen. Sie stellen zwar hinsichtlich des LWS-Syndroms einen Zusammenhang zu einem – dem streitgegenständlichen? – Unfallereignis her. Allerdings lassen weder der schlichte Befund eines Schmerzsyndroms noch derjenige eines LWS-Syndroms Rückschlüsse auf eine dauerhafte Beeinträchtigung zu. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass es sich bei dem Schmerzsyndrom um einen chronisch gewordenen Krankheitszustand handeln soll. Entgegen der Ansicht der Kl. deutet der Begriff der “Chronifizierung' nämlich lediglich darauf hin, dass der Zustand der Erkrankung bereits einige Zeit bestanden hat, erlaubt für sich genommen aber nicht die für die Annahme eines Dauerschadens erforderliche Zukunftsprognose, die Beeinträchtigungen könn...

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