OWiG § 67 Abs. 1 S. 2, Abs. 2; StPO § 302 Abs. 2

Leitsatz

1. Das Rechtsbeschwerdegericht hat die Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid auf den Rechtsfolgenausspruch (§ 67 Abs. 2 OWiG) von Amts wegen zu prüfen (u.a. Anschluss an BGHSt 27, 70; BayObLG NZV 2001, 353; OLG Bamberg zfs 2018, 114).

2. Die nachträglich erklärte Beschränkung des Einspruchs stellt eine teilweise Zurücknahme des Rechtsbehelfs dar, zu dessen Wirksamkeit der Verteidiger nach § 67 Abs. 1 S. 2 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO einer ausdrücklichen Ermächtigung des Betr. bedarf (Anschluss an KG, Beschl. v. 19.2.1999 – 2 Ss 419/98-5 Ws (B) 717/98; OLG Stuttgart Justiz 2011, 104; für den Einspruch gegen den Strafbefehl: OLG Düsseldorf NStZ 2010, 655).

OLG Bamberg, Beschl. v. 3.4.2018 – 3 Ss OWi 330/18

Sachverhalt

Gegen den Betr. erging wegen fahrlässiger Nichteinhaltung des Mindestabstands ein Bußgeldbescheid über 160 EUR mit einmonatigem Fahrverbot nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a S. 1 StVG. Nach Einspruchseinlegung hat der vom damaligen Verteidiger mit einer "Terminsvollmacht" beauftragte Unterbevollmächtigte in der Hauptverhandlung, die in Abwesenheit des Betr. stattfand, ohne weitere zusätzliche Erklärung zur Ermächtigung durch den Betr. den Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Nachdem der Unterbevollmächtigte eine Rücknahme des Einspruchs bis spätestens 4.10.2017 "zugesichert" hatte, setzte das AG die Hauptverhandlung aus. Entgegen der "Zusicherung" des Unterbevollmächtigten wurde der Einspruch in der Folgezeit nicht zurückgenommen. Aufgrund dessen verurteilte das AG den Betr. zu einer Geldbuße von 320 EUR mit Fahrverbot nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a S. 1 StVG. Da das AG von der Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruchs ausging, hat es keine Feststellungen zum Tatgeschehen getroffen. Das OLG Bamberg hat auf die Rechtsbeschwerde des Betr. das Urteil des AG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

2 Aus den Gründen:

"… II. Die gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet, weil das AG die vom Unterbevollmächtigten erklärte Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch zu Unrecht für wirksam gehalten und deshalb keine Feststellungen zum Schuldspruch getroffen hat."

1. Auf eine zulässige Rechtsbeschwerde hat das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen, ob der Tatrichter zu Recht von einer wirksamen Beschränkung des Einspruchs nach § 67 Abs. 2 OWiG ausgegangen ist (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. v. 30.11.1976 – 1 StR 319/76, BGHSt 27, 70; BayObLG NZV 2001, 353; OLG Bamberg zfs 2018, 114; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 318 Rn 33, § 327 Rn 9, § 352 Rn 4). Dies ist schon deshalb geboten, weil es einerseits um die Frage der Teilrechtskraft und damit auch den Prüfungsgegenstand des Rechtsbeschwerdegerichts geht und andererseits von der Wirksamkeit der Einspruchsbeschränkung der Umfang der erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen abhängt.

2. Die vom unterbevollmächtigten Verteidiger der ersten Instanz in der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Betr. erklärte Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch nach § 67 Abs. 2 OWiG ist unwirksam. In der nachträglichen Beschränkung des zunächst unbeschränkt eingelegten Einspruchs liegt eine teilweise Zurücknahme des Rechtsbehelfs, die durch den Verteidiger gem. § 67 Abs. 1 S. 2 OWiG i.V.m. § 302 Abs. 2 StPO nur mit ausdrücklicher Ermächtigung des Betr. erklärt werden konnte. Eine solche lag indes nicht vor.

a) Die nachträgliche Beschränkung des Einspruchs stellt eine teilweise Zurücknahme des Rechtsbehelfs dar (vgl. auch Löwe-Rosenberg/Jesse, StPO, 26. Aufl. 2014, § 302 Rn 44), weil hierdurch der Prüfungsumfang des Gerichts reduziert wird. Dem steht nicht entgegen, dass im Falle einer Revision deren Beschränkung auf bestimmte Beschwerdepunkte, die mit der Revisionsbegründung vorgenommen wird, nicht als Teilrücknahme in diesem Sinne, sondern lediglich als Konkretisierung des zunächst offen gebliebenen Anfechtungsumfangs anzusehen ist (vgl. BGH NJW 1991, 3162; BGH NStZ 1992, 126). Dieser Grundsatz, von dem dann eine Ausnahme gemacht wird, wenn die Beschränkung der Revision erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist erfolgt (BGH NStZ-RR 2013, 352), kann auf den Einspruch nicht übertragen werden. Denn er beruht allein auf der Besonderheit des Revisionsrechts, wonach der Beschwerdeführer gem. § 344 Abs. 1 StPO die Erklärung abzugeben hat, inwieweit er das Urteil anfechten will (KG, Beschl. v. 19.2.1999 – 2 Ss 419/98, 5 Ws (B) 717/98 [juris]). Dagegen wird durch den Einspruch, der nach der gesetzlichen Regelung gerade keiner Begründung bedarf, der Bußgeldbescheid in vollem Umfang angefochten, sofern er nicht bereits mit der Einlegung nach § 67 Abs. 2 OWiG auf einen bestimmten Beschwerdepunkt beschränkt ist (KG a.a.O.; im Ergebnis ebenso für die Berufung: OLG Stuttgart Justiz 2011, 104; OLG Düsseldorf NStZ 2010, 655, sowie Löwe-Rosenberg/Jesse, a.a.O., § 302 Rn 44).

b) Die demnach gem. § 67 Abs. 1 S. 2 OWiG i.V.m. § ...

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