" … 1. Die Klage ist zulässig."

a. Zu Recht hat das LG S seine örtliche (internationale) Zuständigkeit bejaht.

(Internationale Zuständigkeit)

(1) Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt für den vorliegenden Fall aus Art. 9 Abs. 1b EuGVVO. Danach kann ein VR, der – wie hier die Bekl. – seinen “Wohnsitz‘ (Art. 60 EuGVVO) im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, bei Klagen des VN in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem der Kl. seinen Wohnsitz hat. Diese Voraussetzungen, über die das erkennende Gericht gem. Art. 59 Abs. 1 EuGVVO unter Anwendung seines eigenen, hier also des deutschen Rechts zu befinden hatte, lagen im maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung vor. … Die Kl. unterhielt einen Wohnsitz (§ 7 Abs. 1 BGB) in W, mithin im Gerichtsbezirk des LG S. Dort verfügte sie über eine Wohnung, in der sie polizeilich gemeldet war und in der sie sich nach ihrem, von der Bekl. nicht bestrittenen Vortrag zumindest außerhalb der Schulferien – ihr Sohn geht in W zur Schule – überwiegend aufhält. Der Diebstahl des Fahrzeugs erfolgte im Anschluss an eine Nacht, die die Kl. mit Bekannten in W verbracht hatte. Das alles zeigt, dass die Kl. diesen Ort – zumindest auch – als Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse ansieht (vgl. BGH NJW 2006, 1808). Dass sie in Luxemburg einen (weiteren) Wohnsitz unterhält, ändert daran nichts (siehe § 7 Abs. 2 BGB). Wo sich der Hauptwohnsitz befindet, ist unerheblich, weil jeder Wohnsitz für den Betroffenen einen allgemeinen Gerichtsstand begründet (RGZ 102, 86 … ). Die Bekl. wird dadurch auch nicht unangemessen benachteiligt. Den europarechtlichen Regelungen liegt die Erwägung zugrunde, dass der VR kompetenzrechtlich nicht schutzwürdig sei. … Der Bekl. ist es daher zuzumuten, sich ggf. auch im Ausland gegen die Klage ihres (auch) dort wohnhaften Vertragspartners zu verteidigen.

(Gerichtsstandvereinbarung)

(2) Die in Ziff. 2.4.4. der dem Vertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen getroffene Gerichtsstandsvereinbarung, wonach “für alle aus dem Versicherungsvertrag entstehenden Rechtsstreitigkeiten [ … ] ausschließlich die Gerichte des Großherzogtums Luxemburg, unbeschadet der Anwendung internationaler Verträge oder Abkommen, zuständig‘ sind, schließt die Zuständigkeit der deutschen Gerichte für das vorliegende Verfahren nicht aus. Gem. Art. 13 EuGVVO unterliegen Vereinbarungen über die Zuständigkeit in Versicherungssachen strengen Restriktionen. Sie dürfen lediglich in den dort abschließend genannten Fällen getroffen werden, von denen hier, wie das LG zutreffend ausführt, keine einschlägig ist. Der Senat nimmt insoweit auf die Begründung des landgerichtlichen Urteils Bezug. Ergänzend ist anzumerken, dass die in Art. 13 Nr. 3 EuGVVO vorgesehene Ausnahme hier jedenfalls auch deshalb nicht eingreift, weil der dort genannte Fall nach allgemeiner Auffassung lediglich eine Derogation des forum delicti commissi (Art. 10 EuGVVO), nicht jedoch des allgemeinen Gerichtsstands aus Art. 9 Abs. 1 EuGVVO ermöglichen soll (vgl. Geimer, in: Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, Art. 14 EuGVVO Rn 3 … ).

(3) … b. Zu Unrecht wendet die Bekl. sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von 3.420 EUR nebst Zinsen. Die Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Versicherungsleistungen wegen Diebstahls des versicherten Fahrzeugs in dieser Höhe.

(Anwendbares Recht)

(1) Auf das Vertragsverhältnis ist luxemburgisches Recht anzuwenden. Das folgt aus den versicherungsvertragsrechtlichen Kollisionsvorschriften der Art. 7 ff. EGVVG, auch i.V.m. Art. 37 S. 1 Nr. 4 EGBGB, jeweils in der bis zum 16.12.2009 geltenden Fassung. Diese Vorschriften sind im vorliegenden Fall maßgeblich, weil der streitgegenständliche Versicherungsvertrag im Geltungsbereich des EG-Vertrags belegene Risiken deckt, es sich nicht um einen Rückversicherungsvertrag handelt und er ausweislich des Nachtrags zum Versicherungsschein v. 15.2.2008 vor dem 16.12.2009 abgeschlossen worden ist (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 28. Aufl. 2010, vor Art. 7 EGVVG Rn 7).

Ob die Kl. zur Zeit des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne ihres “faktischen‘ Lebensmittelpunkts (vgl. BGH NJW 1975, 1068) in Luxemburg oder in Deutschland hatte, ist ohne Belang. Wäre gewöhnlicher Aufenthalt in Luxemburg gewesen, so folgte die Anwendbarkeit luxemburgischen Rechts aus Art. 8 EGVVG a.F., weil das versicherte Risiko in Luxemburg belegen war. Bei der Versicherung eines Fahrzeugs ist wegen Art. 7 Abs. 2 EGVVG nämlich darauf abzustellen, in welchem Mitgliedstaat das Fahrzeug in ein amtliches Register einzutragen ist und ein Unterscheidungskennzeichen erhält. Das war hier – anders als vom LG irrtümlich angenommen – Luxemburg. Wäre gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland gewesen, so käme die in Ziff. 2.4.4 AVB getroffene Rechtswahl zum Tragen (Art. 9 Abs. 1 EGVVG a.F.). Die Parteien durften danach das Recht des Mitgliedstaats, in dem das Risiko belegen war, hier Luxemburg, für anwendbar erklären.

(2) Der Versicherungsfall “Diebstahl‘ i...

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