FeV § 46 Abs. 1 § 11 Abs. 2 S. 3, Abs. 8 § 14 Abs. 1 S. 1, S. 2; VwGO § 80 Abs. 3

Leitsatz

1. Da der Betroffene durch die Anordnung der Vorlage eines ärztlichen Gutachtens nicht unerheblich belastet wird, genügt nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 FeV ein bloßer Verdacht auf die Einnahme von Betäubungsmitteln nicht. Es müssen hinreichend konkrete Verdachtsmomente (also Tatsachen) festgestellt werden, die einen Eignungsmangel als nahe liegend erscheinen lassen. Nur wenn auf Grund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte berechtigte Zweifel an der Kraftfahreignung des betroffenen Kraftfahrers bestehen, kann eine Überprüfung angeordnet werden. Lediglich die einmalige oder gelegentliche Einnahme von Cannabis ohne das Vorliegen von Anhaltspunkten, dass der Betroffene Fahren und Cannabiskonsum nicht trennen kann, begründet keinen hinreichenden Gefahrenverdacht und führt zur Unverhältnismäßigkeit der Anordnung einer ärztlichen Begutachtung. Es steht mit Verfassungsrecht – insbesondere dem grundrechtlichen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – nicht in Einklang, die Feststellung des unerlaubten Besitzes einer kleinen Menge Cannabis für sich allein bereits zum Anlass zu nehmen, dem Betroffenen ein fachärztliches Gutachten auf der Grundlage eines Drogenscreenings abzuverlangen.

2. Die Verwaltungsgerichte haben zwar grundsätzlich umfassend zu prüfen, ob das materielle Recht die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung trägt oder nicht. Hierzu gehört auch die Prüfung, ob ein angegriffener Verwaltungsakt kraft einer anderen als der von der Behörde angegebenen Rechtsgrundlage rechtmäßig ist. Auch bei Ermessensentscheidungen wird ein solches Auswechseln der Rechtsgrundlage nicht generell als unzulässig angesehen. Die Heranziehung anderer als im angefochtenen Bescheid genannter Normen ist dem Gericht aber verwehrt, wenn die anderweitige rechtliche Begründung zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Bescheides führen würde (wie BVerwG).

(Leitsätze der Schriftleitung)

VG Oldenburg, Beschl. v. 5.8.2008 – 7 B 2074/08 – rechtskräftig

Aus den Gründen

“ 1.) Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der am 18.7.2008 erhobenen Klage des Antragstellers (7 A 2073/08) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9.7.2008, mit dem sie dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen hat, ist zulässig und begründet.

Nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO hat eine Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt jedoch, wenn die Behörde – wie hier – gem. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung im öffentlichen Interesse angeordnet hat. Die schriftliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt hier den Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO. Hiernach reichen pauschale, formelhafte und für eine beliebige Vielzahl von Fallgestaltungen anwendbare Formulierungen grundsätzlich nicht aus (Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Februar 2007, § 80 Rn 178). Bei gleichartigen Tatbeständen können allerdings auch gleiche oder typisierte Begründungen ausreichen (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 80 Rn 85). Bei der sicherheitsrechtlichen Entziehung von Fahrerlaubnissen ist die zu beurteilende Interessenkonstellation in der großen Mehrzahl der Fälle vergleichbar gelagert: In diesen Fällen ist stets zwischen den Gefahren für herausragend wichtige Schutzgüter wie Leben und Gesundheit unbeteiligter Dritter durch die Straßenverkehrsteilnahme eines Fahrungeeigneten und dem Interesse des Betroffenen abzuwägen, bis zur Hauptsacheentscheidung im Besitz seiner Fahrerlaubnis zu bleiben. In solchen Fällen ist es nicht zwingend geboten, eine ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zugeschnittene Begründung zu geben. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde darauf beschränken, die für diese Fallgruppe typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach Auffassung der Behörde diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt (vgl. BayVGH, Beschl. v. 14.2.2006 – 11 CS 05.1504 – zitiert nach juris; sowie BayVGH, Beschl. v. 4. Januar 2006 – 11 CS 05.1878 – zitiert nach juris). Wegen des herausragenden öffentlichen Interesses an der Verkehrssicherheit reicht der – hier erfolgte – Hinweis darauf, dass es nicht hingenommen werden kann, einen Betäubungsmittelkonsumenten wegen des von ihm ausgehenden Gefährdungspotentials während des Klageverfahrens am motorisierten Straßenverkehr teilnehmen zu lassen, aus (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 3.6.1993 – 12 M 2023/93 – zitiert nach juris). Den Anforderungen an die formelle Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ist damit Genüge getan.

In materieller Hinsicht ist für den Erfolg eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO entscheidend, ob das private Interesse eines Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage höher als das öffent...

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