Einführung

Spätestens seit der Entscheidung des BVerfG[1] vom 12.2.2007, Az.: 2 BvR 273/06, könnte man der Meinung sein, dass sich für die Polizei die Frage der Gefahr im Verzuge bei Blutentnahmen nicht mehr stellt. Im Leitsatz wird dazu ausgesagt:

Gefahr im Verzug liegt im Zusammenhang mit Blutentnahmen nur vor, wenn eine Gefährdung des Untersuchungserfolgs zu befürchten ist.

A. Welcher Sachverhalt lag zugrunde?

Beim Beschwerdeführer wurde vom AG die Durchsuchung der Wohnung angeordnet, weil der Verdacht der Hehlerei bestand. Zunächst wurde den Beamten das Betreten der Wohnung nicht gestattet. In der Wohnung wurden bei der Durchsuchung Tabakreste in der Toilettenschüssel und eine Plastikdose mit vermeintlichen Cannabisanhaftungen aufgefunden, jedoch nicht sichergestellt. Eine freiwillige Urinprobe gab der Beschwerdeführer nicht ab. Um 09.00 Uhr wurde deshalb von der StA die Blutprobe angeordnet. Auf Grund der Beschwerde des Beschwerdeführers wurde die Blutentnahme vom AG bestätigt. Der Beschwerdeführer legte Verfassungsbeschwerde ein, weil nach seiner Meinung die Voraussetzungen des § 81a StPO nicht vorlagen. Das BVerfG bestätigte, dass in diesem Fall keine Gefahr im Verzuge gegeben war.

B. Begründung

Die Blutentnahme nach § 81a StPO steht grundsätzlich dem Richter zu. "Der Richtervorbehalt – auch der einfachgesetzliche – zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme in ihren konkreten gegenwärtigen Voraussetzungen durch eine unabhängige und neutrale Instanz. Nur bei einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung einhergehende Verzögerung besteht auch eine Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft und – nachrangig – ihrer Ermittlungspersonen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher regelmäßig versuchen, eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie selbst eine Blutentnahme anordnen. Die Gefährdung des Untersuchungserfolgs muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist. Das Vorliegen einer solchen Gefährdung unterliegt der vollständigen, eine Bindung an die von der Exekutive getroffenen Feststellungen und Wertungen ausschließenden gerichtlichen Überprüfung. Die Gefährdung des Untersuchungserfolgs begründende einzelfallbezogene Tatsachen wurden von der die Blutentnahme anordnenden Staatsanwaltschaft nicht in den Ermittlungsakten vermerkt. Da der Zweck der Maßnahme – die Überprüfung, ob der Beschwerdeführer Umgang mit Betäubungsmitteln hatte, was für das gegen ihn eingeleitete Verfahren wegen unerlaubten Betäubungsmittelbesitzes mittelbar von Bedeutung sein konnte – auch nach Einholung einer richterlichen Anordnung noch erreichbar war und im Übrigen durch nichts belegt ist, dass diese – um 9:00 Uhr morgens – nicht hätte erlangt werden können, lagen die Voraussetzungen einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs objektiv nicht vor. Dies hat das Landgericht in nicht vertretbarer Weise missachtet, indem es die Frage der Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft nicht erörtert und die Anordnung als rechtmäßig erachtet hat. Damit hat es dem Beschwerdeführer effektiven Rechtsschutz durch eine eigene Sachprüfung versagt."[2]

Dieser Sachverhalt, einer der sich so nicht unbedingt im täglichen Dienst ereignet, ist für den Verfasser klar und auch nachvollziehbar. In dieser Situation, zumal man telefonischen Kontakt mit dem Staatsanwalt hatte, war es problemlos möglich, den Versuch zu starten einen Richter zu erreichen.

Anmerkung aus DVP:

Nur bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch die damit verbundene Verzögerung bestehe auch eine Anordnungskompetenz der StA und – nachrangig – ihrer Ermittlungspersonen (Polizei). Die Strafverfolgungsbehörden müssen danach regelmäßig versuchen, eine richterliche Anordnung zu erlangen, bevor sie selbst eine Blutprobe anordnen. Die Gefährdung des Untersuchungserfolges muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist. … praktische Umsetzung mit Schwierigkeiten verbunden … Streng genommen müsste bei zahlreichen Blutproben – insbesondere auf Grund von Alkoholkontrollen – ein Richter eingeschaltet werden, der den körperlichen Eingriff anordnet. … Es bleibt abzuwarten, ob die Botschaft aus Karlsruhe, wonach Richtervorbehalte ernst zu nehmen sind, an der Basis "ankommt".[3]

[3] DVP, 11/07, S. 481.

C. Alltägliche Situationen im Straßenverkehr

Ein Polizeibeamter führt eine allgemeine Verkehrskontrolle i.S.d. § 36 Abs. 5 StVO durch. Er lässt sich gem. § 4 Abs. 2 FeV die Fahrerlaubnis aushändigen und gem. § 11 Abs. 5 FZV die Zulassungsbescheinigung Teil 1 bzw. den Fahrzeugschein. Beide Dokumente wird er zunächst in seinen Händen behalten. Im Rahmen der weiteren Überprüfung des Fahrzeugführers fällt ihm Alkoholgeruch auf. Um seinen Verdacht zu erhärten oder zu entkräften, dass die ...

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