I. Die Berufung des Klägers ist überwiegend begründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch gegen den Beklagten zu 1 aus § 7 Abs. 1, § 11 Satz 2 StVG und § 249 Abs. 1 BGB in ausgeurteilter Höhe zu.

1. Es ist unstreitig ein Verletzungserfolg am Knie / Schienbein (Tibiakopffraktur) als körperliche Primärverletzung (in Abgrenzung zur Sekundärverletzung, dazu BGH Urt. v. 26.7.2022 – VI ZR 58/21, r+s 2022, 588 Ls. und Rn 17) eingetreten.

2. Bei dem Pkw des Beklagten zu 1 handelt es sich unstreitig um ein Kraftfahrzeug im Sinne von § 1 Abs. 2, Abs. 3 StVG.

3. Der Verletzungserfolg ist beim Betrieb des Pkw des Beklagten zu 1 eingetreten.

a) Dabei geht der Senat aufgrund der im Kern übereinstimmenden Angaben der Parteien sowie des Streithelfers, insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, von folgendem Sachverhalt aus (§ 286 ZPO):

Nachdem sich das Fahrzeug eines Bekannten in einem Offroad-Park in einer Senke festgefahren hatte, verband der Kläger dieses Fahrzeug über das stählerne Seil einer Bergewinde, die fest mit dem zu befreienden Fahrzeug verbunden war, mit der Anhängerkupplung des Fahrzeugs des Beklagten zu 1. Das Fahrzeug des Beklagten zu 1 stand sodann während der nachfolgenden Bergeversuche eingebremst mit ausgeschaltetem Motor, während das zu befreiende Fahrzeug sich mit eigener Antriebskraft fort- und zugleich über die Winde aus der Senke herauszuziehen versuchte. Die Winde steuerte der Kläger über ein kabelgebundenes Bedienelement. Als das Fahrzeug sich beim zweiten Bergeversuch befreit hatte und abgestellt war, wickelte der Kläger das stählerne Seil der Winde, das sich während der Bergung schief aufgezogen hatte, zunächst erneut ab, um es sodann wieder gerade aufzuwickeln. Weder der Kläger noch eine andere Person lösten das Seil jedoch vom Fahrzeug des Beklagten zu 1. Nach etwa zwei Minuten ließ der Beklagte zu 1 unter im Einzelnen streitigen Umständen den Motor seines Fahrzeugs an und fuhr los, um die Geländetour fortsetzen zu können. Dabei spannte sich das noch an der Anhängerkupplung befestigte Seil und schlug gegen das Knie/ Schienbein des Klägers … .

b) Durch das Anfahren nach Beendigung des Bergevorgangs wurde das Fahrzeug des Beklagten zu 1 in Betrieb gesetzt, was unbestritten zur Seilspannung und zur Verletzung des Klägers führte.

aa) Voraussetzung des § 7 Abs. 1 StVG ist, dass eines der dort genannten Rechtsgüter "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" verletzt bzw. beschädigt worden ist. Dieses Haftungsmerkmal ist entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, das heißt, wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit) geprägt worden ist. Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, das heißt, die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (st. Rspr., zuletzt etwa BGH Urt. v. 24.1.2023 – VI ZR 1234/20, BeckRS 2023, 3235 Rn 8 m.w.N.).

bb) Gemessen daran war das Fahrzeug des Beklagten zu 1 mit dem Anlassen des Motors und dem Anfahren in Betrieb. Hierdurch eröffnete der Beklagte zu 1 die Gefahrenquelle "Kraftfahrzeug", die die Rechtsgutsverletzung äquivalent und adäquat kausal herbeiführte.

Dass das Fahrzeug des Beklagten zu 1 zunächst ohne jede Fortbewegungs- und Transportfunktion nur wie bspw. ein Baum oder ein Fels als Anker für Winde und Seil diente und damit nicht in Betrieb gewesen ist (vgl. zum Einsatz als Arbeitsmaschine BGH Urt. v. 21.9.2021 – VI ZR 726/20, r+s 2021, 710 Rn 7 ff. m.w.N.; OLG Hamm Beschl. v. 18.5.2021 – 9 W 14/21, NJW-RR 2021, 814 = juris Rn 9 f.), ist unerheblich. Durch die (Wieder-)Aufnahme des Fahrbetriebs begründete der Beklagte zu 1 einen neuen Kausal- und Zurechnungszusammenhang. Die alleinige Bestimmung seines Fahrzeugs als Anker für den Bergevorgang war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Rechtsgutsverletzung bereits knapp zwei Minuten abgeschlossen. Das Losfahren diente nicht mehr dem Bergevorgang, sondern allein der Fortbewegung und fällt damit in den zentralen Schutzbereich des § 7 Abs. 1 StVG. Dementsprechend ist es auch unerheblich, dass der Unfall (auch) noch im zeitlic...

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