Hinweis

Zutreffend ist, dass im Reißverschlussverfahren kein Anspruch desjenigen, dessen Spur endet, dahingehend besteht, ihm den Wechsel in die weiterführende Spur zu gewähren. Zu beachten ist dabei auch, dass auch in den Fällen des Spurwechsels, wenn die Spur endet, es sich um ein Geschehen handelt, welches typischerweise eine erhöhte Gefährlichkeit aufweist. Daher greift der Anscheinsbeweis auch hier gegen den Spurwechsler im Reißverschlussverfahren mit dessen voller Haftung, selbst dann, wenn der Unfall für den Bevorrechtigten nicht unabwendbar war.

 

Anmerkung:

Unfälle im Rahmen des Einfädelns nach dem Reißverschlussverfahren sind immer wieder Anlass zum Streit, ob eine Mithaftung des Bevorrechtigten besteht. Die Tatsachengerichte lehnen dies in der überwiegenden Anzahl der Fälle ab.

Zu beobachten ist dabei, dass unter Hinweis auf OLG Saarbrücken, Urt. v. 1.8.2009 – 4 U 18/19 oder OLG Celle, Urt. v. 20.5.2019 – 14 U 193/19 argumentiert wird, dass selbst dann, wenn der Unfall für den Bevorrechtigten nicht unvermeidbar war, dennoch eine Mithaftung zumindest der Betriebsgefahr ausscheidet, wenn den Bevorrechtigten nicht noch zusätzlich ein Verschulden trifft (so auch LG Frankfurt am Main, Urt. v. 12.7.2023 – 2-01 S 185/22).

Ganz nachvollziehbar ist dies nicht. Gerade die (Mit-)Haftung aufgrund der Betriebsgefahr setzt ja schon nicht ein Verschulden voraus.

Zudem enthält die Formulierung in § 7 Abs. 4 StVO ein Gebot, wenn es heißt:

… ist dem am Weiterfahren gehinderten Fahrzeugen der Übergang auf den benachbarten Fahrstreifen … zu ermöglichen …

Wer dieses Gebot nicht einhält, für den ist ein Unfallgeschehen nicht nur nicht unabwendbar, sondern derjenige verstößt gegen dieses Gebot und führt damit den Unfall auch schuldhaft herbei. So reicht ja oft schon die Wegnahme des Fußes vom Gas, um ein Einfädeln zu ermöglichen.

Aus diesem Grunde wird in der Kommentarliteratur und Rechtsprechung grundsätzlich eine Mithaftung desjenigen angenommen, der das Einfädeln zu ermöglichen hat (vgl. Heß, in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht Kommentar, 27. Aufl. 2022 § 7 StVO Rn. 31 mit weiterer umfangreicher Rechtsprechung) Das KG, VersR 1986, 60, sieht dabei eine Haftungsverteilung von 50 %.

Autor: Andreas Krämer

RA und FA für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht Andreas Krämer, Frankfurt a.M.

zfs 9/2023, S. 483

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