Die Entscheidung des 11. Senats des Bay. VGH entspricht der weit überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung der Zivil- und der Verwaltungsgerichte sowie auch der Kommentarliteratur.

Grundsatz: Gegenstandswert entspricht dem Hauptsachewert

Der Bay. VGH hat als Gegenstandswert für das Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren den Wert der Hauptsache angesetzt. Seine Entscheidung hat der VGH auf das Argument gestützt, die Bewilligung der Prozesskostenhilfe sei aus Sicht des Antragstellers notwendig, um das Verfahren überhaupt führen zu können; dies gelte auch im Beschwerdeverfahren gegen die erstinstanzliche Versagung der Prozesskostenhilfe (ebenso OLG Stuttgart AGS 2010, 454; OLG Karlsruhe JurBüro 1980, 1853 mit Anm. Mümmler; OLG Koblenz JurBüro 1992, 325 und JurBüro 1993, 423 noch zur Geltung der BRAGO). Das trifft zu. Auch im Beschwerdeverfahren geht es dem bedürftigen Antragsteller nämlich im Ergebnis darum, durch die erstrebte Bewilligung von Prozesskostenhilfe von den Kosten der ersten Instanz befreit zu werden, um überhaupt das Hauptsacheverfahren betreiben zu können. Dies muss dann auch in dem Gegenstandswert für die Berechnung der Anwaltsgebühren zum Ausdruck kommen. Dies gilt erst recht, wenn man deren Höhe in die Erwägungen mit einbezieht. Während im erstinstanzlichen Prozesskostenhilfe-Verfahren dem Verfahrensbevollmächtigten nach Nr. 3335 VV RVG im Regelfall eine 1,0 Verfahrensgebühr entsteht, fällt im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren nur die 0,5 Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV RVG an.

Ausnahmen

Von diesem Grundsatz gibt es – je nach verfahrensrechtlicher Ausgangslage – mehrere Ausnahmen. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass auch im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren der Wert der Hauptsache maßgeblich ist, gilt einmal dann, wenn der Bedürftige Prozesskostenhilfe nur für einen Teil der Hauptsache beantragt hat. In diesem Fall ist auch nur dieser Teil des Hauptsachewerts für die Bemessung des Gegenstandswertes maßgebend. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn die Prozesskostenhilfe-Bewilligung nur mit der Maßgabe erfolgt ist, dass die Partei Raten zu zahlen hat oder einen Teil ihres Vermögens einzusetzen hat (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 25. Auflage 2021, Anhang VI Rn 411) und dies mit der Beschwerde angefochten wird. Ebenso ist ausnahmsweise nicht der Hauptsachewert, sondern das Kosteninteresse des Bedürftigen maßgeblich, wenn die Prozesskostenhilfe-Bewilligung nur auf bestimmte Gebühren beschränkt worden ist (siehe den Fall des BGH AGS 2020, 239 = RVGreport 2020, 186 [Hansens]: Beschränkung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG). Dieser Ausnahmefall wird in der Praxis deshalb aber nur selten eintreten, weil eine derartige Beschränkung vielfach von vornherein als unzulässig angesehen wird (siehe etwa OLG Köln JurBüro 2005, 429; OLG Oldenburg FamRZ 2004, 106; LG Berlin JurBüro 2006, 434).

Die Entscheidung des Bay. VGH

Eine Bemerkung ist noch zum Tenor der Entscheidung des Bay. VGH angebracht. Der VGH hat nämlich auf den Antrag des Rechtsanwalts des Klägers "… den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im Beschwerdeverfahren gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe …" festgesetzt. Dies war so nicht richtig. Der Gegenstandswert darf nämlich nur für die anwaltliche Tätigkeit desjenigen Rechtsanwalts festgesetzt werden, der den entsprechenden Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts gestellt hat. Somit ist eine Festsetzung des Gegenstandswerts allgemein für die anwaltliche Tätigkeit – wie sie hier der Bay. VGH vorgenommen hat – unzulässig (so KG zfs 2022, 46 mit Anm. Hansens = AGS 2021, 281 (N. Schneider). Anders als in den Verfahren auf Festsetzung des Streit- bzw. Verfahrenswertes nach den §§ 63 GKG, 55 FamGKG handelt es sich bei dem Verfahren auf Festsetzung des für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgeblichen Gegenstandswerts nach § 33 RVG um ein reines Antragsverfahren. Dieses Verfahren findet daher grundsätzlich nur zwischen Antragsteller und Antragsgegner statt. Deshalb hat das mit dem Antrag befasste Gericht auch nur den Wert im Verhältnis zwischen dem antragstellenden Anwalt und seinem Mandanten bzw. – umgekehrt – zwischen dem antragstellenden Mandanten und seinem Rechtsanwalt festzusetzen. Dies muss das Gericht dann auch in seinem Wertfestsetzungsbeschluss zum Ausdruck zu bringen, in dem der Gegenstandswert nur für den Rechtsanwalt festgesetzt wird, von dem bzw. für den der Antrag gestellt worden ist. Das war hier der Prozessbevollmächtigte des Klägers. Die Gründe für diese Verfahrensweise habe ich in meiner Anmerkung zur Entscheidung des KG zfs 2022, 46 aufgeführt. Dem steht nicht auch nicht entgegen, dass der Gegenstandswert auf den Antrag des Beklagten-Anwalts in derselben Höhe wie für den Kläger-Vertreter festzusetzen wäre.

VorsRiLG a. D. Heinz Hansens, Berlin

zfs 9/2022, S. 527 - 529

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