„… 1. Die Bekl. haften dem Grunde nach unter dem rechtlichen Aspekt der straßenverkehrsrechtlichen Gefährdungshaftung (§ 7 Abs. 1 StVG; § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, S. 4 VVG), da unstreitig ist, dass der Schaden bei dem Betrieb des Beklagtenfahrzeugs entstanden ist. Die Voraussetzungen der höheren Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG) liegen ersichtlich nicht vor. Da sich auch das klägerische Fahrzeug selbst dann unter Verwirklichung des straßenverkehrsrechtlichen Gefährdungstatbestands im Betrieb befand, wenn es zum Zeitpunkt des Unfalls gestanden hätte (auch ein geparktes Fahrzeug befindet sich jedenfalls dann noch im Betrieb, solange der Fahrer noch nicht ausgestiegen ist; Hentschel/König/Dauer, StraßenverkehrsR, 40. Aufl., § 7 Rn 8), wurde der Schaden i.S.d. § 17 Abs. 1 StVG durch mehrere Kfz verursacht. Mithin hängt der Ausgang des Rechtsstreits von der richtigen Anwendung der zu § 17 Abs. 1 StVG entwickelten Rechtsgrundsätze ab:

2. Gem. § 17 Abs. 1 StVG hängt im Verhältnis der beteiligten Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insb. davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Hierbei kommen auch Schuldgesichtspunkte zum Tragen (BGH NJW 2005, 1351 = NZV 2005, 249). Jedoch sind bei der Abwägung der beiderseitigen Verursacherbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, d.h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben (BGH NJW 2007, 506 = NZV 2007, 190; NJW 2000, 3069 = NZV 2000, 466; Hentschel/König/Dauer, § 17 StVG Rn 5).

3. Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nur der Zeugin NB ein unfallursächliches Verschulden vorzuwerfen. Demgegenüber tritt die zu Lasten der Bekl. allein zu gewichtende Betriebsgefahr vollständig zurück:

a) Gem. § 10 S. 1 und 2 StVO hat sich derjenige, der vom Fahrbahnrand anfahren will, so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Er hat seine Absichten unter Benutzung der Fahrtrichtungsanzeiger rechtzeitig und deutlich anzukündigen. Diese Sorgfaltsanforderungen hat die Zeugin NB missachtet: Nach der Überzeugung des Senats ist die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs ohne Setzen des Blinkers nach links in die Fahrbahn ausgeschert und deshalb unter Missachtung des Vorrechts des fließenden Verkehrs mit dem Fahrzeug der Bekl. zusammenstoßen.

aa) Allerdings ist ein solcher Unfallverlauf entgegen der Rechtsauffassung des LG nicht deshalb zu unterstellen, weil die Zeugin NB an der Unfallstelle ein Schuldanerkenntnis abgegeben hat, welches hinsichtlich des anerkannten Sachverhalts zu einer Umkehr der Beweislast führte:

aaa) Schuldanerkennende Erklärungen können vielfältige Rechtswirkungen besitzen: So liegt ein konstitutives Schuldanerkenntnis i.S.d. § 781 BGB vor, wenn der Anerkennende unabhängig vom Schuldgrund eine neue selbständige Verpflichtung schaffen will, die auch dann ihre Rechtswirksamkeit bewahren soll, wenn der ursprüngliche Anspruch nicht besteht (Palandt/Sprau, BGB, 70. Aufl., § 781 Rn 2; vgl. BGH NJW 2000, 2984). Auch das deklaratorische Schuldanerkenntnis verkörpert eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung, mit der der Anerkennende eine bereits bestehende Schuld lediglich bestätigen will oder in einem bestehenden Schuldverhältnis einzelne Einwendungen dem Streit oder der Ungewissheit entziehen will (BGH NJW 1995, 960; BGHZ 66, 250, 255 = NJW 2008, 3423). Die Abgabe eines bestätigenden Schuldanerkenntnisses kommt nur dann in Betracht, wenn die Beteiligten besonderen Anlass für ein Anerkenntnis besaßen. In der Rspr. wird ein solcher Anlass insb. darin erblickt, wenn zunächst Streit oder Ungewissheit über das Bestehen der Schuld geherrscht hat (BGHZ 66, 250, 255 = NJW 2008, 3423; BGH NJW 2009, 580 = NZV 2009, 135; NJW 1984, 799).

Im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt scheidet sowohl die Abgabe eines konstitutiven als auch eines deklaratorischen Anerkenntnisses aus: Es ist nicht ersichtlich, dass die Zeugin mit ihrer Schilderung des Unfallverlaufs eine auf Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtete Willenserklärung abgeben wollte. Auch ein Anlass für die Abgabe eines deklaratorisches Schuldanerkenntnisses war nicht vorhanden, nachdem beide Unfallbeteiligten den Unfallhergang übereinstimmend schilderten. Überdies könnte eine solche materiellrechtliche Erklärung nur die Zeugin selbst und ihre eigene – nicht streitgegenständliche – Haftung am Unfallgeschehen betreffen. Eine Zurechnung der materiellen Anerkenntniswirkungen zum Nachteil des Kl. scheidet aus.

bbb) Demnach ist allenfalls in Betracht zu ziehen, ob die Erklärung der Zeugin NB auf der prozessualen Ebene hinsic...

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