Welche Maßnahmen löst das Punktesystem im Einzelnen aus?

  1. Bei Erreichen von 8 Punkten erfolgt eine kostenpflichtige Verwarnung mit dem Hinweis auf die Möglichkeit des Besuchs eines Aufbauseminars. Es handelt sich hierbei um ein Aufbauseminar, zu dem bestimmte Fahrschulen autorisiert sind. Dieses Seminar erfordert den Einsatz von Zeit und Geld, nämlich 4 × 135 Minuten Unterricht und Kosten von etwa EUR 450,00. Bei erfolgreichem Besuch des Aufbauseminars erhält der Proband eine Bescheinigung, die bei der Straßenverkehrsbehörde einzureichen ist. Diese meldet weiter an das Kraftfahrt-Bundesamt. Dieses schreibt im Verkehrszentralregister für den Besuch dieses Aufbauseminars 4 Punkte gut, wenn der Betroffene nicht mehr als 8 Punkte aufweist, weist er zwischen 9 und 13 Punkten auf, beträgt der Rabatt nur noch 2 Punkte.

    Aus Sicht des Verteidigers macht es Sinn, den Mandanten schon vor dem Erreichen von 8 Punkten auf die Möglichkeit der freiwilligen Teilnahme an diesem Aufbauseminar hinzuweisen. Gerade Vielfahrer fürchten oft das Ansammeln eines Punktekontos und sind daher bereits sehr früh empfänglich für diesen Rat. Es macht allerdings wenig Sinn ein solches Seminar zu besuchen, wenn weniger als 4 Punkte eingetragen sind, es gibt nämlich keinen negativen Rabatt, d.h. es können immer nur so viele Punkte abgebaut werden, wie im Verkehrszentralregister eingetragen sind. Das Aufbauseminar kann nur einmal in einem Zeitraum von 5 Jahren besucht werden.

    Es war in diesem Zusammenhang lange umstritten, ob für die Höhe des Punkteabzugs nur die Eintragungen maßgeblich sind, die bei Ausstellung der Teilnahmebescheinigung bereits rechtskräftig (eingetragen) waren (Rechtskraftprinzip), oder ob auch Verkehrsverstöße zu berücksichtigen sind, die zu diesem Zeitraum begangen waren (Tattagsprinzip). Das BVerwG hat sich in 2 Entscheidungen vom 25.9.2008[4] nunmehr für das Tattagsprinzip entschieden. Zuvor war diese Frage streitig. Diese Entscheidung macht die vorausschauende anwaltliche Beratung nicht einfacher.

  2. Bei Erreichen von 14 Punkten ist dieses Aufbauseminar obligatorisch, wobei kein Punkterabatt mehr gewährt wird. Bei Weigerung erfolgt die Fahrerlaubnisentziehung durch die Verwaltungsbehörde. In diesem Fall gilt, dass die Fahrerlaubnis (wieder)erteilt wird, sobald das Aufbauseminar nachgewiesen ist. Hat der Betroffene bereits innerhalb von 5 Jahren ein Aufbauseminar freiwillig besucht, so erfolgt beim Erreichen von 14 Punkten lediglich eine Verwarnung, die wiederum gebührenpflichtig ist. Ferner hat die Behörde auf die Möglichkeit der verkehrspsychologischen Beratung hinzuweisen. Auch diese ist durchaus für Betroffene interessant. Natürlich kostet sie Geld und Zeit, allerdings werden bis zum Erreichen von 17 Punkten 2 Punkte rabattiert. Auch hier dürfte das Tattagsprinzip Anwendung finden, Rabatt also nur, wenn bei Ausstellung der Teilnahmebescheinigung keine Verstöße begangen sind, die das Punktekonto über 17 ansteigen lassen.
  3. Bei Erreichen von 18 Punkten wird es dann brisant: Es erfolgt entsprechend der gesetzlichen Bestimmung des § 4 Abs. 3 StVG automatisch Fahrerlaubnisentziehung und die Verhängung einer sechsmonatigen Sperrfrist. Eine neue Fahrerlaubnis wird durch die Verwaltungsbehörde in der Regel nur erteilt, wenn eine positive medizinisch-psychologische Begutachtung vorliegt, § 4 Abs. 10 StVG. Die Hürden bei Erreichen von 18 Punkten sind also sehr hoch, sodass die Überzeugungsarbeit des Verteidigers früher ansetzen muss. Die sechsmonatige Sperre und die regelmäßige MPU sind für einen Betroffenen abschreckend. Erfahrungsgemäß wird der Mandant vorher alles tun, dass damit diese Folgen nicht eintreten.
  4. Was geschieht, wenn die Behörde bei Erreichen von 8 Punkten oder 14 Punkten keine Maßnahmen trifft?

    Insoweit bestimmt § 4 Abs. 5 StVG, dass der Punktestand auf 13 bzw. 17 Punkte reduziert wird. An dieser Stelle wird nicht nur etwa behördliche Nachlässigkeit belohnt, vielmehr kann es durchaus passieren, dass bei einer einzelnen Fahrt so viele Punkte kassiert werden, dass 14, 18 oder gar mehr Punkte erreicht sind. Zum Beispiel erfolgt die Verurteilung eines Betroffenen wegen dreier tatmehrheitlich begangener Verstöße der Nötigung im Straßenverkehr. Wegen der tatmehrheitlichen Begehungsweise sind 3 × 6 Punkte einzutragen, 8 Punkte sind bereits voreingetragen, sodass der Betroffene auf einen Schlag mit 24 Punkten versehen ist. Hinsichtlich der Frage, ob diese Punktereduzierung nur einmal gewährt wird oder auch mehrfach, wenn die Behörde zweimal hintereinander eine vom Gesetz vorgeschriebene Maßnahme unterlassen hat, verweise ich auf die Ausführungen von Zwerger.[5]

[4] BVerwG 3 C 21.07, zfs 2009, 118 ff.; BVerwG 3 C 3.07, zfs 2009, 113 ff. = NZV 2009, 96.
[5] Zwerger, zfs 2009, 128, 129.

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