§ 29 Abs. 6 StVG beschäftigt sich mit dem Fall, dass im Register mehrere Entscheidungen über eine Person eingetragen sind. In diesem Fall erfolgt die Tilgung nach einem gesonderten System, weil die Beurteilung des Verkehrsverhaltens wiederholt auffällig gewordener Kraftfahrer über einen ausreichenden Zeitraum ermöglicht werden soll. Die Tilgung erfolgt dann nach dem Grundgedanken der Bewährung, nämlich erst dann, wenn innerhalb bestimmter Fristen keine weiteren Verkehrsverstöße begangen werden.

Im Einzelnen bedeutet dies, dass Eintragungen strafgerichtlicher und verwaltungsbehördlicher Entscheidungen sowie Verzichte auf die Fahrerlaubnis die Tilgung der Eintragungen hemmen, bis hinsichtlich aller Eintragungen Tilgungsreife vorliegt. Hiervon gibt es allerdings eine Reihe wichtiger Ausnahmen:

  1. Die Eintragung wegen Ordnungswidrigkeiten hemmen (nur) die Tilgung anderer Ordnungswidrigkeiten, sie blockieren also nicht die Tilgung strafgerichtlicher und verwaltungsbehördlicher Entscheidungen.
  2. Absolute Tilgung bei Ordnungswidrigkeiten: Grundsätzlich werden die Eintragungen wegen Ordnungswidrigkeiten spätestens nach Ablauf von 5 Jahren seit Rechtskraft getilgt, auch hiervon gibt es allerdings eine Ausnahme, nämlich Entscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten gem. § 24a StVG (0,5-‰-Verstöße).
  3. Die Probezeit gem. § 2a StVG hemmt die Tilgung von Ordnungswidrigkeiten. Es soll sichergestellt werden, dass sämtliche in der Probezeit begangenen Verstöße erfasst werden, also keine Tilgung von OWI-Einträgen während der (ggf. verlängerten) Probezeit.
  4. Punktekontolöschung durch Fahrerlaubnisentziehung: Nach § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG werden die Punkte, die vor einer Entziehung der Fahrerlaubnis "gesammelt" wurden, gelöscht. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Entziehung darauf beruht, dass der Betroffene nicht an einem angeordneten Aufbauseminar teilgenommen hat. Es gilt auch nicht für den Verzicht auf die Fahrerlaubnis. Grundsätzlich gilt also, dass die Fahrerlaubnisentziehung das Punktekonto löscht, allerdings führt dies nicht zur Tilgung der Einträge, diese verbleiben weiterhin im Verkehrszentralregister, jedoch ohne Punktebewertung. Sie werden dann nach den oben erörterten Regeln getilgt. Im Einzelfall kann somit auch die Situation entstehen, dass im Falle einer Verurteilung mit Entziehung der Fahrerlaubnis das Punktekonto gelöscht wird oder aber bei Rückgabe des Führerscheins in der Hauptverhandlung, ggf. verbunden mit einem deklaratorischen Fahrverbot, die Fahrerlaubnis nicht entzogen wird mit der Folge, dass keine Punktelöschung erfolgt, sondern weitere Punkte für das zur Verurteilung anstehende Delikt ins Verkehrszentralregister eingetragen werden. Dieser Umstand ist im Einzelfall eine gründliche Überlegung mit dem Verteidiger wert.
  5. Überliegefrist, § 29 Abs. 7 StVG: Bis zum Inkrafttreten des Justizmodernisierungsgesetzes am 1.2.2005 bot sich dem Verteidiger die in der Regel funktionierende Möglichkeit, die Tilgung von vorhandenen Punkten im Verkehrszentralregister wegen Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten durch eine gewisse Verfahrensverzögerung herbeizuführen, weil es nämlich für die Tilgungsreife darauf ankam, ob es z.B. bei Ordnungswidrigkeiten innerhalb des Tilgungszeitraumes von 2 Jahren, gerechnet ab der Rechtskraft der letzten Ordnungswidrigkeit, zur Eintragung einer neuen Ordnungswidrigkeit in das Verkehrszentralregister kam. Eine Eintragung erfolgte erst, wenn die Entscheidung wegen der neuen Ordnungswidrigkeit rechtskräftig war (Rechtskraftprinzip). Durch Verzögern der Rechtskraft der neuen Tat ließ sich also problemlos Tilgungsreife der Voreintragungen herbeiführen. Die auch zu dieser Zeit bereits existierende dreimonatige Überliegefrist hatte hierauf keinen Einfluss.

    Dieser Zustand hat offenbar dem Gesetzgeber missfallen, sodass durch das Justizmodernisierungsgesetz vom 24.8.2004 nicht nur die Überliegefrist von bislang 3 Monaten auf 1 Jahr verlängert wurde, vielmehr wurde in § 29 Abs. 6 der Satz eingefügt, dass eine Ablaufhemmung auch eintritt, wenn eine neue Tat vor dem Ablauf der Tilgungsfrist begangen wird und bis zum Ablauf der Überliegefrist zu einer weiteren Eintragung führt (Tattagsprinzip). Dies bedeutet, dass jetzt die Begehung (Tattag) einer eintragungspflichtigen Ordnungswidrigkeit innerhalb des zweijährigen Tilgungszeitraums des § 29 Abs. 1 Nr. 1 dazu führt, dass diese neue Ordnungswidrigkeit die Tilgung der voreingetragenen Ordnungswidrigkeit(en) hemmt, notfalls bis zum Eintritt der absoluten Tilgungsreife. Voraussetzung ist natürlich, dass diese neue Tat dann auch bis zum Ablauf der einjährigen Überliegefrist zur Eintragung führt, was auch bei maximal möglicher Verzögerungstaktik nur selten zu verhindern sein wird. Zwar wird – wie stets – auch diese Ordnungswidrigkeit erst eingetragen, wenn Rechtskraft eingetreten ist, für den "Mitnahmeeffekt" ist jedoch der Tattag maßgeblich, sofern die Eintragung innerhalb der Überliegefrist erfolgt ist. Der Gesetzgeber hat hier durch die Einführung des Tattagsprinzips e...

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