VVG § 6 Abs. 3 (a.F.); AKB § 7 I (2) S. 3

Leitsatz

Zur Bedeutung des Nachtrunks in der Kaskoversicherung.

OLG Karlsruhe, Urt. v. 5.6.2008 – 12 U 13/08

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt Leistungen aus einer bei der Beklagten genommenen Fahrzeugversicherung. Ihr Sohn – und Repräsentant – fuhr in den frühen Morgenstunden auf dem Nachhauseweg mit dem versicherten Fahrzeug gegen einen Baum. Am Fahrzeug entstand Totalschaden. Der Sohn entfernte sich zunächst unter Zurücklassung des beschädigten Fahrzeugs von der Unfallstelle, ehe er gegen 11.00 Uhr bei der Polizei in S erschien. Eine Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 0,66 Promille, eine zweite Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 0,57 Promille. Nach dem Vortrag der Klägerin hatte ihr Sohn nach dem Unfall zu Hause einige Schlucke aus einer Wodkaflasche getrunken. Die Beklagte sieht sich wegen Obliegenheitsverletzungen leistungsfrei. Der Sohn habe sich unerlaubt vom Unfallort entfernt und – falls er tatsächlich einen Nachtrunk genommen habe – nicht alles getan, was zur Aufklärung des Tatbestands dienlich gewesen sei.

Das LG hat der Klage überwiegend stattgegeben.

Aus den Gründen

“ … 1. Das LG nimmt zutreffend an, dass die Beklagte nicht wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls von ihrer Leistungspflicht frei geworden ist.

Nach § 61 VVG a.F. ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt. Der Nachweis der Herbeiführung des objektiven Tatbestandes des Versicherungsfalls, des Verschuldens des Versicherungsnehmers und der Kausalität zwischen dem Handeln des Versicherungsnehmers und dem Eintritt des Versicherungsfalls obliegt dabei dem Versicherer (Langheid, in: Römer/Langheid, VVG 2. Aufl., § 61 Rn 83 m.w.N.). Obschon Leistungsfreiheit nach § 61 VVG a.F. bei absoluter Fahruntüchtigkeit (Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille und mehr) grundsätzlich zu bejahen ist und bei relativer Fahruntüchtigkeit (Blutalkoholkonzentration unter 1,1 Promille) zumindest infrage kommt, wenn weitere Umstände die Alkoholbedingtheit des Unfalls belegen, kann hiervon im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Denn auch ein alkoholtypischer Unfall kann den Schluss auf dessen alkoholbedingte grob fahrlässige Verursachung nur rechtfertigen, wenn der Fahrzeugführer zum Unfallzeitpunkt nachweislich Alkohol getrunken hatte (vgl. OLG Hamm VersR 1993, 90 f.). An diesem Nachweis, den – weil zum objektiven Tatbestand des § 61 VVG a.F. gehörig – die Beklagte zu erbringen hat, fehlt es im vorliegenden Fall. Er ist ihr, weil die Klägerin Nachtrunk geltend macht, wobei die Trinkmenge nur ungefähr bekannt ist, nicht gelungen. Das LG hat daher mit Recht ausgeführt, dass die von der Beklagten nur unter Ausblendung des geltend gemachten Nachtrunks errechnete Blutalkoholkonzentration von 1,06 Promille zum Unfallzeitpunkt der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt, vielmehr nicht einmal davon ausgegangen werden kann, dass der Sohn der Klägerin bei dem Unfall überhaupt alkoholisiert gewesen war. Anstrengungen, den von der Klägerin angeführten Nachtrunk zu widerlegen, hat die Beklagte, abgesehen von bloßem Bestreiten und dem Versuch, die Beweislast insoweit auf die Klägerin zu verlagern, auch im Berufungsrechtszug nicht unternommen. Eine Umkehrung der Beweislast kommt jedoch nicht in Betracht (vgl. BGH VersR 1976, 84 unter 3; Rech, NVersZ 1999, 156, 159).

2. Das LG ist des Weiteren zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass Leistungsfreiheit der Beklagten auch nicht wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nach § 7 I (2) S. 3, V (4) AKB i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG a.F. eingetreten ist.

a) Nach der Rspr. des BGH (BGH VersR 2000, 222 unter II 1 m.w.N.) stellt das bloße Verlassen der Unfallstelle nur dann eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit dar, wenn dadurch der objektive und subjektive Tatbestand des § 142 StGB erfüllt wird. Bei fehlendem Verstoß gegen die Strafrechtsnorm ist eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nicht gegeben (BGH a.a.O. unter II 2). Den Verstoß gegen den objektiven und subjektiven Tatbestand der Strafvorschrift darzulegen und zu beweisen – insbesondere auch die Kenntnis des Versicherungsnehmers oder seines Repräsentanten von dem Entstehen eines nicht nur ganz unerheblichen Schadens an fremden Rechtsgütern –, obliegt dabei dem Versicherer (OLG Saarbrücken zfs 2001, 69, 70; OLG Hamm a.a.O. … ).

Diesen Beweis hat die Beklagte nicht geführt. Der von der Beklagten durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellte Vortrag, Schäden wie beim Unfall am Fahrzeug der Klägerin eingetreten gingen notwendig einher mit einer Beschädigung des Baumes, und allein ein Wundverschlussmittel und die Arbeitsstunde eines Arbeiters hätten weit mehr als 100 EUR gekostet, vorsichtig geschätzt werde sich der Schaden auf mindestens 500 EUR belaufen haben, kann die Rechtsverteidigung nicht stützen. Damit lässt sich nämlich nicht belegen, dass sich der Sohn der Klägerin eines F...

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